Details zu “Dradio Wissen”

Habe im Hamburger Gesetzblatt eine relativ ausführliche Beschreibung von “Dradio Wissen” (pdf) gefunden, dem geplanten dritten Programm des Deutschlandradio. Gesetzblatt, weil das Projekt teil des Rundfunkstaatsvertrags ist und somit in den Gesetzblättern aller Bundesländer beschrieben und veröffentlicht wurde. In der Beschreibung finden sich konkrete Zahlen (jährlich soll das Programm 6 Millionen Euro kosten) und sperrige PR-Lyrik (“Das Profil „Wissen“ ist jugendaffin”).

Am 1.1.2010 soll “Dradio Wissen” den Sendebetrieb aufnehmen, 24/7 und werbefrei. Deutschlandradio ist das Dach für bisher zwei werbefreie 24/7-Vollprogramme: Deutschlandfunk, Schwerpunkt Politik, Funkhaus in Köln sowie Deutschlandradio Kultur, Schwerpunkt Kultur, Funkhaus in Berlin.

Jetzt soll also ein drittes Programm hinzu kommen, Schwerpunkt Wissen, Sitz in Köln. “Dradio Wissen” wird allerdings nicht über UKW ausgestrahlt, sondern nur digital verbreitet, das heißt per Live-Stream, Podcast, DAB, digitalem Kabel und digitalem Satellit. Lineares Programm und Website (Podcasts etc.) sollen gleichberechtigt sein.

Im linearen Programm sollen wie bei diversen Inforadios alle 15 bis 20 Minuten Nachrichtenblöcke gesendet werden. Der Redaktions-Sitz Köln wurde gewählt, weil dort noch Platz im Funkhaus war.

Lest mal rein, ist nicht viel. Kommentare wie immer gern gesehen.

Twitter – die neuen Agenturen

Im Medienradio MR005 geht es um die Frage, welche Rolle Twitter im medialen News-Kreislauf spielt. Ich glaube, dass Twitter die neuen Agenturen ist. Klingt komisch, meint Folgendes:

Wenn traditionelle Journalisten im Newsroom sitzen und das aktuelle Geschehen verfolgen, sagen sie: “Ich beobachte die Agenturen.” Sie sitzen dann vor einer Anwendung, die ungefähr so aussieht:

NewsWire

(Bild in groß)

Links laufen die Meldungen der abonnierten Nachrichtenagenturen ein, von Reuters bis zum dpa-Landesdienst Sachsen. Rechts erscheint eine ausgewählte Nachricht im Volltext. Der Nachrichtenstrom lässt sich nach Stichwörtern durchsuchen u.ä..

Wenn heute jemand die Iran-Revolte verfolgen will, liest er Twitter – etwa mit einer Anwendung wie dem Seesmic Desktop:

Seesmic Desktop

(Bild in groß)

Twitter sieht nicht nur aus wie die Agenturen, es hat auch eine ähnliche Rolle übernommen. Die Nachrichten-Agenturen sind die Hauptschlagader des täglichen News-Kreislaufs. Ein Bericht in der Tagesschau, ein Scoop des Spiegel, ein Interview im Deutschlandfunk – von allem wird eine knackige Kurzfassung geschrieben, um sie an die Agenturen weiter zu reichen, auf dass diese sie in den Nachrichtenstrom einspeisen, natürlich mit Verweis auf das Original. Nur so ist dem SZ-Artikel, DLF-Interview oder Frontal21-Beitrag maximale Aufmerksamkeit sicher. Denn welcher Redakteur liest, schaut und hört schon alle Medien? Aber alle lesen die Agenturen. Twitter funktioniert genauso: Egal ob Blogeintrag, Youtube-Filmchen oder Online-Artikel – alles wird knackig zusammengefasst reingeworfen in den Strom der Tweets, auf dass es möglichst oft retweetet werde, um maximale Aufmerksamkeit erlangen. Deswegen ist Twitter die neuen Agenturen.

Interview mit Leo Laporte

Moritz Metz and Philip Banse talk to Leo Laporte from Kuechenradio on Vimeo.

Ich saß nach einem Medienradio noch am Rechner, als Moritz mich anskypte und schrieb: Ich sitze bei Leo Laporte im Studio. Er war in den USA, das wusste ich, und hatte spontan per Mail um ein Inteview bei Chief Twit gebeten. Ob er mich dazu schalten soll. Klar, warum nicht. 3 Uhr morgens, ich war übermüdet, überfordert und habe am nächsten Morgen gedacht, ich hätte geträumt. Irgendjemand schrieb im Chat sinngemäß: Ich bin total stoned, dies ist das beste Interview, was ich je gesehen habe. Es dauert fast eine Stunde.

PB009 Google Books / Open Access (DLF)

Ich habe zuletzt mit einem Dutzend Schriftstellern gesprochen, einige hatten den “Heidelberger Appell” unterzeichnet. Das Unwissen dieser Autoren über Google Books und den Heidelberger Appell hat mich überrascht.

Warum ist der Heidelberger Appell Unfug? Was steht im Google Book Settlement, was ist Open Access und warum haben beide so wenig miteinander zu tun? Habe das versucht, für den Deutschlandfunk zu klären (DLF, Hintergrund, 23.05.2009, 18.40-19.00).

Viele gute Links bei Delicious zum “Heidelberger Appell” und “Google Books”.

PB009 Google Books / Open Access (DLF) weiterlesen

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Fessel-Klausel bei Berliner Mieterverein

Wer den teuren Berliner Mieterverein verlassen will, erlebt eine Überraschung: Man kann diese Verbraucherschutz-Organisation laut Paragraf 3 der Satzung nur zum Ende eines Kalenderjahres verlassen – und das auch nur, wenn man bis zum 30. September kündigt.

Solche Fessel-Klauseln erinnern an ISP- oder Handy-Verträge. Einer Verbraucherschutz-Organisation ist das unwürdig. Ein Austritt sollte zum Ende eines jeden Monats möglich sein.

Google Books #01

Schon wieder so eine irreführende Aussage eines Verlagsmenschen über das Google Book Settlement. In der Welt sagt Piper-Verleger Marcel Hartges über den Google-Vergleich:

Das Wichtigste ist, dass ein Autor oder Rechteinhaber die Rechte am Werk behält…

Und so sieht es das Settlement auch vor: Autoren gewähren Google nur einfaches Nutzungsrecht, können ihre Bücher also darüber hinaus vermarkten wie sie wollen.

…und niemand dieses Werk ohne Zustimmung online vermarkten kann.

Auch das gewährleistet das Settlement – so es denn genehmigt wird – für lieferbare Bücher, die urheberrechtlich geschützt sind. Explizit einer Nutzung widersprechen müssen Autoren von Büchern, die nach Google-Einschäztung nicht mehr lieferbar sind.

Was diese Aussagen so nervig macht, ist der Eindruck, dass diese Buch-Branchen-Leute es besser wissen, aber bewußt einen falschen Eindruck erwecken wollen.

Guttenberg hat Recht

In seinem viel zitierten Tagesschau-Auftritt (Youtube-Video) sagt Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU:

“Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornografischen Inhalten sträuben.”

Da kann ich nur sagen: Wo er Recht hat, hat er Recht. Sollte angesichts von über 66.000 Unterschriften unter eine Petition, die sich gegen unkontrollierbare Internet-Sperren und für eine wirksame Bekämpfung von Kinderpornografie ausspricht, dieser Eindruck entstehen, würde mich das auch betroffen machen. Denn dieser Eindruck wäre falsch. Wenn eine solche Sperrung wirksam, demokratisch kontrolliert, ohne grundrechtliche Kollateralschäden machbar und eine effektivere Alternative nicht in Sicht wäre, könnten wir darüber reden. Ich weiß, dass der Minister den Eindruck wollte, dass alle Unterzeichner für Kinderpornos sind. Aber auch einen dummen Satz muss man erstmal formulieren.

Was passiert mit einer (Online-)Petition?

Angesichts des neuen Volkssports Online-Petition habe ich mich immer gefragt: Was genau passiert eigentlich mit den Eingaben? Habe daher beim Petitionsausschuss des Bundestages angerufen und ein bisschen auf deren Website herum gelesen. Hier die Zusammenfassung. Ein rund 60-seitiges pdf (“Stichwort Petitionen – Von der Bitte zum Bürgerrecht”) des Bundestags schildert sehr ausführlich Ablauf und Geschichte der Petition.

Jeder Mensch hat das Recht, beim Petitions-Ausschuss des Bundestags eine Petition einzureichen. Es gibt kein Mindestalter und deutscher Staatsbürger muss man auch nicht sein. Der Petitions-Ausschuss prüft, ob es sich bei dem Anliegen auch wirklich um eine Petition handelt. Die Hürde ist niedrig, aber vorhanden. So muss die Petition schriftlich eingereicht werden, einen Absender haben und das Anliegen klar formulieren. Eine Petition darf nicht gegen Personen gerichtet sein oder zu Straftaten aufrufen. Sie darf auch nicht offensichtlich aussichtslos sein (“Ostern soll auf Weihnachten verlegt werden.”). Außerdem muss der Bund zuständig sein, also am Problem etwas ändern können. Petitionen können beispielsweise auch bei Landtagen eingereicht werden.

Ist die Petition eine Petition im Sinne des Bundestages, bekommt sie eine Nummer und wird an einen Fachmann im Petitions-Ausschuss weitergeleitet. Der Petitions-Ausschuss hat rund 80 Mitarbeiter, die alle bestimmte Themen betreuen: Sozialrecht, Sicherheitspolitik, Entwicklungshilfe etc. Dieser Mitarbeiter muss sich eine Meinung bilden zum Anliegen. Er kann Ministerien und Behörden um Stellungnahme bitten, sich Akten kommen lassen oder Minister vorladen. Auch Ortstermine sind möglich, so geschehen beim Streit um das Bombodrom. Viele Probleme können diese Leute abgeblich auch mit einem Anruf beim Petenten lösen, Motto: “Das hatten wir schon mal, hier ist die Lösung.”

Für Petitionen, die sich nicht auf diesem Wege erledigen lassen, bestimmt das Ausschuss-Sekretariat zwei Berichterstatter. Das sind immer Ausschussmitglieder, Bundestagsabgeordnete also. Einer gehört in der Regel der Regierungsfraktion an, der andere ist Mitglied einer Oppositionsfraktion. Die Berichterstatter bekommen vom Ausschuss-Mitarbeiter eine Beschluss-Empfehlung, unterziehen sie einer “Vorprüfung” und geben sie in den Ausschuss, wo sie in der Regel beschlossen wird. Der Ausschuss empfiehlt also dem Plenum, dem Bundestag, was er mit der Petition machen soll. Bei mehr als der Hälfte aller Petitionen rät der Ausschuss dem Bundestag, sie abzulehnen: Sorry, kann man nix machen. Diese Petitionen tauchen dann nur als Nummern in der Tagesordnung auf und werden ohne Debatte abgelehnt. Die andere Hälfte reicht der Bundestag an die zuständigen Institutionen weiter – meist die Bundesregierung. Dabei gibt es verschiedene Eskalationsstufen. Überweisung als Material bedeutet: Hier schaut mal und schmeisst es nicht gleich weg. Überweisung “zur Erwägung” bedeutet, der Bundestag ist der Meinung, das Anliegen sollte ernsthaft geprüft werden. Überweisung “zur Berücksichtung” bedeutet, der Bundestag hält eine Umsetzung der Petition für unbedingt nötig. Tut die Bundesregierung das nicht, muss sie es dezidiert begründen. Eine Pflicht, die Petition umzusetzen, gibt es nicht.

Seit Herbst 2008 können Petitionen auch online eingereicht werden. Wählt der Petent “Einzelpetition”, wird die Eingabe behandelt, als käme sie per Post oder Fax. Macht er das Häkchen bei “öffentlicher Petition”, werden Mitarbeiter des Ausschusses prüfen, ob die Petition im Netz veröffentlicht wird und andere sie somit unterschreiben können. Diese Prüfung dauert in der Regel drei Wochen. Kriterium für eine Veröffentlichung ist, dass es sich um ein Anliegen von allgemeinem Interesse handelt, das auch diskutiert werden kann. “Ich will mehr Rente” erfüllt diese Bedingung nicht. “Weg mit den Internetsperren” dagegen schon. Auch darf es nicht schon mal eine inhaltlich gleiche Petition gegeben haben.

Wird eine Petition nicht veröffentlicht, gilt sie dennoch als Petition und wird wie eine solche behandelt. Wird das Anliegen ins Netz gestellt, kann jeder unterschreiben. Dazu sind sechs Wochen Zeit. Hat die Petition nach drei Wochen 50.000 Unterschriften eingesammelt, veranstaltet der Ausschuss in aller Regel eine öffentliche, im Internet übertragene, Anhörung, bei der ein Regierungsvertreter und der Petent gehört werden. Diese Anhörung des Petenten kann eine 2/3-Mehrheit der Ausschuss-Mitglieder blockieren. (Soll etwa verhindern, dass Rechtsextremisten ein Podium im Bundestag bekommen.) Der Petent kann auch vorgeladen werden, wenn er keine öffentliche Petition einreicht oder weniger als 50.000 Unterschriften sammelt. Die 50.000-Grenze hat der Ausschuss sich selber gesetzt, Motto: Wenn so viele Leute dabei sind, hören wir den Petenten an. Eine gesetzliche Verpflichtung gibt es dafür wohl nicht. Dann beschließt der Ausschuss, welches weitere Verfahren er dem Bundestag empfiehlt: Ablehnen, weiterreichen oder mit Nachdruck weiterreichen.

Eine erfolgreiche Petition war etwa die zum Soldatensold. Sie verlangte, dass Soldaten mehr verdienen. Der Bundestag leitete das Anliegen weiter an die Bundesregierung und “Ruck Zuck war das durch”, wie ein Ausschuss-Mitarbeiter sich erinnert.

Der Petitions-Ausschuss erhält jedes Jahr rund 600.000 Briefe. Neben Bürgeranliegen sind das Stellungnahmen und ähnliches. Eine Petitionsnummer bekommen jährlich rund 20.000 Anliegen. 2008 waren es 18.000. Einen Anstieg der eingereichten Petitionen kann der Ausschuss wegen der Online-Petition noch nicht verzeichnen, sagt ein Ausschuss-Mitarbeiter, eher eine Verlagerung vom Analogen ins Netz.

Neuer Podcast: Medienradio.org

Es sind ja immer so drei, vier Projekte im Ofen und man weiß nie so genau welches zuerst gar ist und serviert werden kann. Jetzt ist Medienradio.org an der Reihe und online. Medienradio ist eine – erstmal – zweiwöchentliche Diskussionsrunde von mir und ein paar Kollegen: Markus Heidmeier, Thomas Jaedicke und Jana Wuttke. Das Kernteam wird nach Bedarf ergänzt durch Gäste, die aber nicht portraitiert und/oder ausgequentscht werden, sondern einfach ihren Senf auf unsere Wurst werfen. Thematisch hangeln wir uns entlang an dem, was so passiert ist im Netz und in anderen Medien. Format und Gewichtung werden sich sicher noch ändern. Kommentare und Anregungen sind wie immer herzlich willkommen.