Angesichts des neuen Volkssports Online-Petition habe ich mich immer gefragt: Was genau passiert eigentlich mit den Eingaben? Habe daher beim Petitionsausschuss des Bundestages angerufen und ein bisschen auf deren Website herum gelesen. Hier die Zusammenfassung. Ein rund 60-seitiges pdf (“Stichwort Petitionen – Von der Bitte zum Bürgerrecht”) des Bundestags schildert sehr ausführlich Ablauf und Geschichte der Petition.
Jeder Mensch hat das Recht, beim Petitions-Ausschuss des Bundestags eine Petition einzureichen. Es gibt kein Mindestalter und deutscher Staatsbürger muss man auch nicht sein. Der Petitions-Ausschuss prüft, ob es sich bei dem Anliegen auch wirklich um eine Petition handelt. Die Hürde ist niedrig, aber vorhanden. So muss die Petition schriftlich eingereicht werden, einen Absender haben und das Anliegen klar formulieren. Eine Petition darf nicht gegen Personen gerichtet sein oder zu Straftaten aufrufen. Sie darf auch nicht offensichtlich aussichtslos sein (“Ostern soll auf Weihnachten verlegt werden.”). Außerdem muss der Bund zuständig sein, also am Problem etwas ändern können. Petitionen können beispielsweise auch bei Landtagen eingereicht werden.
Ist die Petition eine Petition im Sinne des Bundestages, bekommt sie eine Nummer und wird an einen Fachmann im Petitions-Ausschuss weitergeleitet. Der Petitions-Ausschuss hat rund 80 Mitarbeiter, die alle bestimmte Themen betreuen: Sozialrecht, Sicherheitspolitik, Entwicklungshilfe etc. Dieser Mitarbeiter muss sich eine Meinung bilden zum Anliegen. Er kann Ministerien und Behörden um Stellungnahme bitten, sich Akten kommen lassen oder Minister vorladen. Auch Ortstermine sind möglich, so geschehen beim Streit um das Bombodrom. Viele Probleme können diese Leute abgeblich auch mit einem Anruf beim Petenten lösen, Motto: “Das hatten wir schon mal, hier ist die Lösung.”
Für Petitionen, die sich nicht auf diesem Wege erledigen lassen, bestimmt das Ausschuss-Sekretariat zwei Berichterstatter. Das sind immer Ausschussmitglieder, Bundestagsabgeordnete also. Einer gehört in der Regel der Regierungsfraktion an, der andere ist Mitglied einer Oppositionsfraktion. Die Berichterstatter bekommen vom Ausschuss-Mitarbeiter eine Beschluss-Empfehlung, unterziehen sie einer “Vorprüfung” und geben sie in den Ausschuss, wo sie in der Regel beschlossen wird. Der Ausschuss empfiehlt also dem Plenum, dem Bundestag, was er mit der Petition machen soll. Bei mehr als der Hälfte aller Petitionen rät der Ausschuss dem Bundestag, sie abzulehnen: Sorry, kann man nix machen. Diese Petitionen tauchen dann nur als Nummern in der Tagesordnung auf und werden ohne Debatte abgelehnt. Die andere Hälfte reicht der Bundestag an die zuständigen Institutionen weiter – meist die Bundesregierung. Dabei gibt es verschiedene Eskalationsstufen. Überweisung als Material bedeutet: Hier schaut mal und schmeisst es nicht gleich weg. Überweisung “zur Erwägung” bedeutet, der Bundestag ist der Meinung, das Anliegen sollte ernsthaft geprüft werden. Überweisung “zur Berücksichtung” bedeutet, der Bundestag hält eine Umsetzung der Petition für unbedingt nötig. Tut die Bundesregierung das nicht, muss sie es dezidiert begründen. Eine Pflicht, die Petition umzusetzen, gibt es nicht.
Seit Herbst 2008 können Petitionen auch online eingereicht werden. Wählt der Petent “Einzelpetition”, wird die Eingabe behandelt, als käme sie per Post oder Fax. Macht er das Häkchen bei “öffentlicher Petition”, werden Mitarbeiter des Ausschusses prüfen, ob die Petition im Netz veröffentlicht wird und andere sie somit unterschreiben können. Diese Prüfung dauert in der Regel drei Wochen. Kriterium für eine Veröffentlichung ist, dass es sich um ein Anliegen von allgemeinem Interesse handelt, das auch diskutiert werden kann. “Ich will mehr Rente” erfüllt diese Bedingung nicht. “Weg mit den Internetsperren” dagegen schon. Auch darf es nicht schon mal eine inhaltlich gleiche Petition gegeben haben.
Wird eine Petition nicht veröffentlicht, gilt sie dennoch als Petition und wird wie eine solche behandelt. Wird das Anliegen ins Netz gestellt, kann jeder unterschreiben. Dazu sind sechs Wochen Zeit. Hat die Petition nach drei Wochen 50.000 Unterschriften eingesammelt, veranstaltet der Ausschuss in aller Regel eine öffentliche, im Internet übertragene, Anhörung, bei der ein Regierungsvertreter und der Petent gehört werden. Diese Anhörung des Petenten kann eine 2/3-Mehrheit der Ausschuss-Mitglieder blockieren. (Soll etwa verhindern, dass Rechtsextremisten ein Podium im Bundestag bekommen.) Der Petent kann auch vorgeladen werden, wenn er keine öffentliche Petition einreicht oder weniger als 50.000 Unterschriften sammelt. Die 50.000-Grenze hat der Ausschuss sich selber gesetzt, Motto: Wenn so viele Leute dabei sind, hören wir den Petenten an. Eine gesetzliche Verpflichtung gibt es dafür wohl nicht. Dann beschließt der Ausschuss, welches weitere Verfahren er dem Bundestag empfiehlt: Ablehnen, weiterreichen oder mit Nachdruck weiterreichen.
Eine erfolgreiche Petition war etwa die zum Soldatensold. Sie verlangte, dass Soldaten mehr verdienen. Der Bundestag leitete das Anliegen weiter an die Bundesregierung und “Ruck Zuck war das durch”, wie ein Ausschuss-Mitarbeiter sich erinnert.
Der Petitions-Ausschuss erhält jedes Jahr rund 600.000 Briefe. Neben Bürgeranliegen sind das Stellungnahmen und ähnliches. Eine Petitionsnummer bekommen jährlich rund 20.000 Anliegen. 2008 waren es 18.000. Einen Anstieg der eingereichten Petitionen kann der Ausschuss wegen der Online-Petition noch nicht verzeichnen, sagt ein Ausschuss-Mitarbeiter, eher eine Verlagerung vom Analogen ins Netz.