Fessel-Klausel bei Berliner Mieterverein

Wer den teuren Berliner Mieterverein verlassen will, erlebt eine Überraschung: Man kann diese Verbraucherschutz-Organisation laut Paragraf 3 der Satzung nur zum Ende eines Kalenderjahres verlassen – und das auch nur, wenn man bis zum 30. September kündigt.

Solche Fessel-Klauseln erinnern an ISP- oder Handy-Verträge. Einer Verbraucherschutz-Organisation ist das unwürdig. Ein Austritt sollte zum Ende eines jeden Monats möglich sein.

Google Books #01

Schon wieder so eine irreführende Aussage eines Verlagsmenschen über das Google Book Settlement. In der Welt sagt Piper-Verleger Marcel Hartges über den Google-Vergleich:

Das Wichtigste ist, dass ein Autor oder Rechteinhaber die Rechte am Werk behält…

Und so sieht es das Settlement auch vor: Autoren gewähren Google nur einfaches Nutzungsrecht, können ihre Bücher also darüber hinaus vermarkten wie sie wollen.

…und niemand dieses Werk ohne Zustimmung online vermarkten kann.

Auch das gewährleistet das Settlement – so es denn genehmigt wird – für lieferbare Bücher, die urheberrechtlich geschützt sind. Explizit einer Nutzung widersprechen müssen Autoren von Büchern, die nach Google-Einschäztung nicht mehr lieferbar sind.

Was diese Aussagen so nervig macht, ist der Eindruck, dass diese Buch-Branchen-Leute es besser wissen, aber bewußt einen falschen Eindruck erwecken wollen.

Guttenberg hat Recht

In seinem viel zitierten Tagesschau-Auftritt (Youtube-Video) sagt Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU:

“Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornografischen Inhalten sträuben.”

Da kann ich nur sagen: Wo er Recht hat, hat er Recht. Sollte angesichts von über 66.000 Unterschriften unter eine Petition, die sich gegen unkontrollierbare Internet-Sperren und für eine wirksame Bekämpfung von Kinderpornografie ausspricht, dieser Eindruck entstehen, würde mich das auch betroffen machen. Denn dieser Eindruck wäre falsch. Wenn eine solche Sperrung wirksam, demokratisch kontrolliert, ohne grundrechtliche Kollateralschäden machbar und eine effektivere Alternative nicht in Sicht wäre, könnten wir darüber reden. Ich weiß, dass der Minister den Eindruck wollte, dass alle Unterzeichner für Kinderpornos sind. Aber auch einen dummen Satz muss man erstmal formulieren.

Was passiert mit einer (Online-)Petition?

Angesichts des neuen Volkssports Online-Petition habe ich mich immer gefragt: Was genau passiert eigentlich mit den Eingaben? Habe daher beim Petitionsausschuss des Bundestages angerufen und ein bisschen auf deren Website herum gelesen. Hier die Zusammenfassung. Ein rund 60-seitiges pdf (“Stichwort Petitionen – Von der Bitte zum Bürgerrecht”) des Bundestags schildert sehr ausführlich Ablauf und Geschichte der Petition.

Jeder Mensch hat das Recht, beim Petitions-Ausschuss des Bundestags eine Petition einzureichen. Es gibt kein Mindestalter und deutscher Staatsbürger muss man auch nicht sein. Der Petitions-Ausschuss prüft, ob es sich bei dem Anliegen auch wirklich um eine Petition handelt. Die Hürde ist niedrig, aber vorhanden. So muss die Petition schriftlich eingereicht werden, einen Absender haben und das Anliegen klar formulieren. Eine Petition darf nicht gegen Personen gerichtet sein oder zu Straftaten aufrufen. Sie darf auch nicht offensichtlich aussichtslos sein (“Ostern soll auf Weihnachten verlegt werden.”). Außerdem muss der Bund zuständig sein, also am Problem etwas ändern können. Petitionen können beispielsweise auch bei Landtagen eingereicht werden.

Ist die Petition eine Petition im Sinne des Bundestages, bekommt sie eine Nummer und wird an einen Fachmann im Petitions-Ausschuss weitergeleitet. Der Petitions-Ausschuss hat rund 80 Mitarbeiter, die alle bestimmte Themen betreuen: Sozialrecht, Sicherheitspolitik, Entwicklungshilfe etc. Dieser Mitarbeiter muss sich eine Meinung bilden zum Anliegen. Er kann Ministerien und Behörden um Stellungnahme bitten, sich Akten kommen lassen oder Minister vorladen. Auch Ortstermine sind möglich, so geschehen beim Streit um das Bombodrom. Viele Probleme können diese Leute abgeblich auch mit einem Anruf beim Petenten lösen, Motto: “Das hatten wir schon mal, hier ist die Lösung.”

Für Petitionen, die sich nicht auf diesem Wege erledigen lassen, bestimmt das Ausschuss-Sekretariat zwei Berichterstatter. Das sind immer Ausschussmitglieder, Bundestagsabgeordnete also. Einer gehört in der Regel der Regierungsfraktion an, der andere ist Mitglied einer Oppositionsfraktion. Die Berichterstatter bekommen vom Ausschuss-Mitarbeiter eine Beschluss-Empfehlung, unterziehen sie einer “Vorprüfung” und geben sie in den Ausschuss, wo sie in der Regel beschlossen wird. Der Ausschuss empfiehlt also dem Plenum, dem Bundestag, was er mit der Petition machen soll. Bei mehr als der Hälfte aller Petitionen rät der Ausschuss dem Bundestag, sie abzulehnen: Sorry, kann man nix machen. Diese Petitionen tauchen dann nur als Nummern in der Tagesordnung auf und werden ohne Debatte abgelehnt. Die andere Hälfte reicht der Bundestag an die zuständigen Institutionen weiter – meist die Bundesregierung. Dabei gibt es verschiedene Eskalationsstufen. Überweisung als Material bedeutet: Hier schaut mal und schmeisst es nicht gleich weg. Überweisung “zur Erwägung” bedeutet, der Bundestag ist der Meinung, das Anliegen sollte ernsthaft geprüft werden. Überweisung “zur Berücksichtung” bedeutet, der Bundestag hält eine Umsetzung der Petition für unbedingt nötig. Tut die Bundesregierung das nicht, muss sie es dezidiert begründen. Eine Pflicht, die Petition umzusetzen, gibt es nicht.

Seit Herbst 2008 können Petitionen auch online eingereicht werden. Wählt der Petent “Einzelpetition”, wird die Eingabe behandelt, als käme sie per Post oder Fax. Macht er das Häkchen bei “öffentlicher Petition”, werden Mitarbeiter des Ausschusses prüfen, ob die Petition im Netz veröffentlicht wird und andere sie somit unterschreiben können. Diese Prüfung dauert in der Regel drei Wochen. Kriterium für eine Veröffentlichung ist, dass es sich um ein Anliegen von allgemeinem Interesse handelt, das auch diskutiert werden kann. “Ich will mehr Rente” erfüllt diese Bedingung nicht. “Weg mit den Internetsperren” dagegen schon. Auch darf es nicht schon mal eine inhaltlich gleiche Petition gegeben haben.

Wird eine Petition nicht veröffentlicht, gilt sie dennoch als Petition und wird wie eine solche behandelt. Wird das Anliegen ins Netz gestellt, kann jeder unterschreiben. Dazu sind sechs Wochen Zeit. Hat die Petition nach drei Wochen 50.000 Unterschriften eingesammelt, veranstaltet der Ausschuss in aller Regel eine öffentliche, im Internet übertragene, Anhörung, bei der ein Regierungsvertreter und der Petent gehört werden. Diese Anhörung des Petenten kann eine 2/3-Mehrheit der Ausschuss-Mitglieder blockieren. (Soll etwa verhindern, dass Rechtsextremisten ein Podium im Bundestag bekommen.) Der Petent kann auch vorgeladen werden, wenn er keine öffentliche Petition einreicht oder weniger als 50.000 Unterschriften sammelt. Die 50.000-Grenze hat der Ausschuss sich selber gesetzt, Motto: Wenn so viele Leute dabei sind, hören wir den Petenten an. Eine gesetzliche Verpflichtung gibt es dafür wohl nicht. Dann beschließt der Ausschuss, welches weitere Verfahren er dem Bundestag empfiehlt: Ablehnen, weiterreichen oder mit Nachdruck weiterreichen.

Eine erfolgreiche Petition war etwa die zum Soldatensold. Sie verlangte, dass Soldaten mehr verdienen. Der Bundestag leitete das Anliegen weiter an die Bundesregierung und “Ruck Zuck war das durch”, wie ein Ausschuss-Mitarbeiter sich erinnert.

Der Petitions-Ausschuss erhält jedes Jahr rund 600.000 Briefe. Neben Bürgeranliegen sind das Stellungnahmen und ähnliches. Eine Petitionsnummer bekommen jährlich rund 20.000 Anliegen. 2008 waren es 18.000. Einen Anstieg der eingereichten Petitionen kann der Ausschuss wegen der Online-Petition noch nicht verzeichnen, sagt ein Ausschuss-Mitarbeiter, eher eine Verlagerung vom Analogen ins Netz.

Neuer Podcast: Medienradio.org

Es sind ja immer so drei, vier Projekte im Ofen und man weiß nie so genau welches zuerst gar ist und serviert werden kann. Jetzt ist Medienradio.org an der Reihe und online. Medienradio ist eine – erstmal – zweiwöchentliche Diskussionsrunde von mir und ein paar Kollegen: Markus Heidmeier, Thomas Jaedicke und Jana Wuttke. Das Kernteam wird nach Bedarf ergänzt durch Gäste, die aber nicht portraitiert und/oder ausgequentscht werden, sondern einfach ihren Senf auf unsere Wurst werfen. Thematisch hangeln wir uns entlang an dem, was so passiert ist im Netz und in anderen Medien. Format und Gewichtung werden sich sicher noch ändern. Kommentare und Anregungen sind wie immer herzlich willkommen.

Täglich live von der Cebit

Der Deutschlandfunk sendet von Dienstag bis Sonntag täglich 18.40-20.00 live von der Cebit. Die “DLF Cebit Show” bietet Studiogäste, Reporter und gute Laune.  Ich mache mit Claudia Sanders die Moderation. Die Show kommt als Audio- und Videostream, über Langwelle, Mittelwelle (Digital Radio Mondial – DRM) und DVB-S (Frequenzen etc. hier).  Wird sicher nett. Auch ihr könnt euch in der Sendung zu Wort melden:

Skype: dlf.cebit.show

Twitter: http://twitter.com/Deutschlandfunk

Mail: cebit@dradio.de

Vielleich bis nächste Woche ;)

1und1 kann Rufnummer nicht umziehen

Wenn man den Internet-Provider wechselt, muss ich meine Rufnummer mitnehmen können. Wenn man mit einem 1und1- Komplett-Anschluss umzieht, geht die Telefon-Nummer verloren:

“Bei dem Umzug eines 1&1 Komplettanschluss, bekommen Sie für Ihren Anschluss am neuen Wohnort neue 1&1 Telefonie- und Mobilfunkrufnummern.”

Hotliner bestätigt: “Sie kriegen beim Umzug auf jeden eine neue Telefonnummer, weil die Nummer an die Adresse gebunden ist. Bei Provider-Wechsel können Sie die Nummer mitnehmen. Wir arbeiten daran.”

Das ist auf jeden Fall absurd. Auch rechtswidrig?

Auch Firefox meldet Surfverhalten an Google

Suchmaschinen-Experte Wolfgang Sander-Beuermann, Leiter des Suchmaschinen-Labors an der Uni Hannover und Mann hinter MetaGer, warnt in einer Rundmail, dass nicht nur Chrome, sondern auch Firefox standardmäßig jede eingegebene URL an Google meldet:

Die Begruendung fuer die Uebertragung des Surfverhaltens an Google ist, dass man den Nutzer vor “bösen Webseiten” bewahren will: bei jeder Webseite, die man anzusehen vorhat, schaut Google dann vor der Anzeige in seiner Liste der “boesen Seiten” nach. Es gibt in der Tat “boese Webseiten”, mit deren Hilfe Kriminelle z.B. versuchen, fremde Bankkonten zu leeren; aber wenn der Preis vor einem eventuellen Schutz so hoch ist, dass das gesamte eigene Surfverhalten an den weltgroessten Internet-Konzern uebertragen wird, weil dort eine Webseite vielleicht in der Liste der “Boesen” aufgefuehrt ist, dann sollte man sich das SEHR genau ueberlegen. Vor allem erscheint es unangemessen, dass dies als Standard-Einstellung vorgegeben ist.

Jeder kann beim eigenen Firefox leicht überpruefen, ob das Tierchen dem großen G, seinem Hauptsponsor, Meldung macht. Einfach in die Adressezeile eingeben: “about:config” und dann nach dem Wort “safe” filtern. Wenn dann viel weiter unten in der Zeile “browser.safebrowsing.enabled” das Wort “true” steht, wurde jede Webseite, die Ihr Euch bisher angeschaut habt, “bei Google registriert”, wie Sander-Beuermann schreibt. Den gleichen Effekt habe die Zeile “browser.safebrowsing.maleware.enabled”.

Sander-Beuermann rät:

Um das Mitlesen des Surfverhaltens abzuschalten, muss man mit der rechten Maustaste in die jeweilige Zeile klicken, und in dem dann aufgehenden Menue die Zeile “toggle” oder “umschalten” anklicken, so dass dort “false” steht.

UPDATE:

Das beschriebene Verhalten betrifft wohl nur Firefox 2. Sander-Beuermann korrigiert sich:

Der Newsletter 10-08 und die Beschreibung des Firefox
beduerfen einer Korrektur. Der folgende Absatz …:

“Schaut man nun jedoch beim Firefox genauer hin, und beobachtet dessen
Netzverkehr, dann sieht man, dass Firefox in der Standard-
Voreinstellung das gesamte eigene Surfverhalten an Google uebersendet.”

… ist falsch. Das “gesamte eigene Surfverhalten” wird nur bei der
Firefox-Version 2 dann an Google gesendet, wenn dies vom Nutzer
eingestellt wurde (“Check by asking Google about each site I visit”).

In allen anderen Faellen wird:
– von Google ungefaehr alle 30 Minuten eine Liste verdaechtiger Seiten
auf den eigenen PC heruntergeladen,
– lokal mit angeforderten Seiten verglichen,
– und nur dann, wenn es Aehnlichkeit mit diesen Seiten gibt, wird
Kontakt mit Google aufgenommen.

Dies ist die voreingestelle Konfiguration. Auch das erscheint als
Voreinstellung durchaus nicht unproblematisch.  Wenn es der eigenen
Intention nicht entspricht, muss man es explizit ausschalten.

Podcast von der IFA: Gäste gesucht

Ich mache mit Tim Pritlove vom Chaosradio einen Podcast von der IFA, für den wir noch Gäste suchen.

Am Montag, 1.9.08, 15-17 Uhr, planen wir eine rund 90minütige Diskussionsrunde, die auch live gestreamt wird.

Thema: Meinungen, Analysen, Bewertungen zur IFA 2008 und was dort zu sehen war. Dazu eigene Erlebnisse, Anekdoten, neue Geräte und Dienste.

Wir suchen drei bis vier Leute, die mit uns – in gewohnt lockerer Atmosphäre bei Getränk und Keks – diskutieren und – wenns geht – ein paar Gadgets/Dienste vorstellen, die sie auf der IFA gesehen und für gut befunden haben. Wir unterstützten Euch, wenn es darum geht, ggf. Geräte von Ständen für die Sendung auszuleihen. Je früher Ihr Euch meldet, desto einfacher wird es, die Technik zu borgen ;-)

Also: Wer von Euch ist auf der IFA und befasst sich mit ihr etwas intensiver, etwa als Wissenschaftler, Journalist, Blogger, PR-Mensch? Hättet Ihr Lust, an der Diskussionsrunde teilzunehmen?

Montag, 1.9., 15-17.00 im Technisch-Wissenschaftlichen Forum (TWF), Halle 5.3.

Bitte einfach kurze Mail an pb@philipbanse.de.

Bei mehreren Bewerbungen erfolgt eine subjektive Auswahl durch Tim und mich :-)

“Three Strikes” – Ars Technica zeigt Verständnis

“The Strikes and you’re out”, dahinter steckt die jüngste Strategie der Musikindustrie in ihrem Kampf gegen Datei-Tauscher. Wer mit urheberrechtlich geschützer Musik im Netz erwischt wird, soll von seinem Provider drei Mal schriftlich ermahnt und anschließend vom Internet abgeklemmt werden.

In der EU konnten diese Pläne etwas entschärft werden (siehe Chaosradio Express 095). Aber weltweit sieht die Musikindustrie ihre Wünsche Gesetz werden, berichtet Ars Technica – und äußert Verständnis für diese drakonische Maßnahme, die viele Anwälte und Internetaktivisten als unverhältnismäßig und völlig überzogen ablehnen:

For the music business, it largely eliminates the need to file lawsuits against end users, and it replaces often massive copyright damages with warnings and then ISP sanctions. For end users, it provides multiple chances to stop infringing without threat of lawsuits. For ISPs, the plan allows them to preserve user privacy (they don’t generally turn any information back over to the content owners), doesn’t involve any filtering, and keeps the ISPs free from government mandates to police their networks. With one recent UK survey showing that 70 percent of Internet users would stop violating copyright after receiving a single warning notice from their ISP, the plan might also cut down significantly on infringement and on the portion of ISP traffic given over to P2P uses.

Die Argumente machen Sinn, aber “Three Strikes” bleibt unverhältnismäßig. Musik- und Filmindustrie müssen endlich lernen, dass sie für einzelne Kopien digitaler Werke kein Geld mehr kassieren können, es lässt sich einfach nicht mehr durchsetzen. Die Frage ist auch, ob das “Three Strikes”-System auf Musik beschränkt bleiben würde. Da werden sich jede Menge Leute melden, die gern jemand aus dem Netz hätten, weil er etwas Unerwünschtes getan haben soll.