Im kommenden Jahr soll der elektronische Personalausweis eingeführt werden – auf einem RFID-Chip sollen Fingerabdrücke, Gesichtsbild und zahlreiche Servicefunktionen gespeichert werden, die den Bürgern das biometrisch aufgerüstete Ausweisdokument schmackhaft machen sollen. Habe in einem “Hintergrund” für den Deutschlandfunk versucht, Diskussion und technischen Stand der Dinge zusammenzufassen.
“Wir brauchen diesen Ausweis, weil er sicherer ist als das, was wir jetzt haben und weil er zusätzliche Möglichkeiten für den Bürger über die bisherigen Funktionen eröffnet.” (Hans-Berhard Beus, Staatssekretär, BMI)
“Im Versicherungsbereich etwa der Onlineantrag, Schadensmeldung, Kündigungen, An- und Abmeldungen, Alterskontrolle, Video on Demand, Wettanträge – vieles, was heute eben noch per Briefpost oder per Fax erledigt werden muss.” (Jan Möller, Projektleiter “Elektronischer Personalausweis”)
“Und von daher ist der Bundesbürger ein Versuchskaninchen, um mit entsprechender IT-Technologie Weltmärkte zu erobern.” (Wolfgang Wieland, Fraktion Bündnis90/Die Grünen)
“Unsere Kritikpunkte gehen dahin, dass wir zukünftig alle Bundesbürger ab ihrem 16. Lebensjahr wie Verbrecher behandeln.” (Gisela Piltz, FDP-Fraktion)
Der elektronische Personalausweis ist ein komplexes Milliarden-Projekt, das alle Bundesbürger über 16 betrifft. Doch obwohl das umstrittene High-Tech-Dokument schon im kommenden Jahr unters Volk gebracht werden soll, will das Bundesinnenministerium erst in den kommenden Wochen ein „Grobkonzept“ für den elektronischen Personalausweis vorstellen. Die nötige Änderung des Personalausweisgesetzes ist längst in Arbeit. Denn im Herbst schon will das Bundesinnenministerium den neuen Ausweis in einem Feldversuch testen. Langsam nimmt eines der ambitioniertesten IT-Projekte der Bundesregierung Konturen an.
Der elektronische Personalausweis wird groß sein, wie ein EC-Karte und einen Funk-Chip enthalten. Auf ihm gespeichert werden neben den auch aufgedruckten Personendaten ein digitales Gesichtsbild und zwei digitale Fingerabdrücke, wahrscheinlich die der Zeigefinger. Außerdem enthält der Chip ein digitales Zertifikat, mit dessen Hilfe soll sich der Ausweisinhaber auch im Internet eindeutig identifizieren können. Falls gewünscht, können sich die Bundesbürger darüber hinaus eine digitale Signatur auf ihren Ausweis laden. Dann könnten sie Dokumente – etwa im Internet – digital und gerichtsfest zu unterschreiben.
Zwei Fingerabdrücke und ein Gesichtsbild – diese digitalen biometrischen Merkmale sind es, die das neue Personaldokument zum Politikum machen.
Schon auf dem neuen Reisepass sind digitalisierte Fingerabdrücke und Gesichtsbilder gespeichert. Doch ein Pass ist freiwillig; ein Personalausweis dagegen Pflicht. Jeder Bundesbürger über 16 Jahre müsste für den elektronischen Personalausweis seine Fingerabdrücke abgeben. Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, lehnt das ab:
“Unsere Kritikpunkte gehen dahin, dass wir zukünftig alle Bundesbürger ab ihrem 16. Lebensjahr wie Verbrecher behandeln.”
“Die Problematik besteht natürlich darin, dass wenn der Fingerabdruck in einer guten Qualität als digitale Information aufgenommen wird, dass er dann missbraucht werden kann.”
Constanze Kurz, Informatikern an der Humboldt-Universität und Sprecherin des Chaos Computer Clubs:
“Man kann sich so was überlegen wie: Fremde Fingerabdrücke, die man an Tatorten hinterlässt. Da ist einfach deshalb eine Problematik, weil man eben nicht wie bei einem Passwort oder einer Pin-Nummer dieses Datum wieder los wird. Sondern das klebt an einem Menschen. Geraten sie also einmal in falsche Hände, hat man ein Problem und zwar lebenslang.”
Voraussetzung für solche Szenarien ist aber, dass die Fingerabdrücke aller Deutschen in einer Datenbank gespeichert werden. Denn nur dann ließen sich irgendwo gefundene Fingerabdrücke einer Person mit Namen und Vornamen zuordnen. Genau eine solche Speicherung der biometrischen Daten sei jedoch nicht geplant, sagt Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundesinnenministerium und IT-Beauftragter der Bundesregierung. Fingerabdrücke und Gesichtsbild auf dem Chip sollten lediglich verglichen werden mit Finger und Gesicht des Menschen, der den Ausweis vorlegt. Daher würden Fingerabdrücke und Gesichtsbild nur auf dem Ausweis gespeichert, nirgendwo sonst. Auf die Frage, ob er eine zentrale Speicherung der biometrischen Daten ausschließen könne, antwortet Innenstaatsekretär Beus:
“Niemand hat das vor und deshalb stellt sich die Frage für uns heute nicht. (BANSE:) In der Union gibt es schon Stimmen, die das vorhaben. (BEUS:) Also, die Regierung hat es nicht vor, denke ich mal, und es ist in den Entwürfen, die wir vorbereiten, nicht vorgesehen und das ist die entscheidende Aussage zu dem Punkt.”
Datenschützer trauen diesem Versprechen nicht. Schon für den Reisepass hatte die Unionsfraktion eine zentrale Datenbank für Fingerabdrücke und Gesichtsbilder gefordert. Die SPD hatte das seinerzeit verhindert. Doch bei passender Gelegenheit werde der Geist wieder aus der Flasche entweichen, fürchtet der Jurist Wolfgang Wieland, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag:
“Wenn wir möglicherweise terroristische Aktivitäten auch in der Bundesrepublik erleben, dann müssen wir immer davon ausgehen, dass wir dann eine Situation wie nach dem 11.9. haben, wo die Schubladen aufgemacht werden und wo die Pläne dann ganz schnell in Gesetzesform gegossen werden und umgesetzt werden. Das heißt: Dieses Fingerabdruckregister droht.”
Die Strukturen, in die biometrische Daten leicht einsortiert werden könnten, würden bereits geschaffen, so Wieland. Die Bundesregierung plant ein zentrales Melderegister, in dem alle in Deutschland gemeldeten Menschen erfasst würden, nach derzeitigem Stand unter anderem mit Namen, Familienstand, Hochzeitstag, Waffenschein und Steueridentifikationsnummer. Die biometrischen Daten aus Pässen und Ausweisen sollen nach dem Referentenentwurf des Innenministeriums nicht im zentralen Melderegister gespeichert werden.
Noch nicht, fürchtet Wieland. Die Erfahrung mit Mautdaten, Bankkontoabfrage und Telefonüberwachung zeige: Ist ein Werkzeug in der Welt, wollen es Sicherheitspolitiker für immer mehr Arbeiten einsetzen. Biometrische Daten würden früher oder später zentral gespeichert, vermutet Wieland:
“Was wäre daran schlimm? Dann wäre eben jeder Bundesbürger als potentieller Krimineller behandelt. Dann wäre die Umkehr der Unschuldsvermutung da. Der Bürger wäre nicht mehr grundsätzlich unschuldig, sondern er würde misstrauisch beäugt und man würde schon vorbeugend – er könnte ja Straftäter werden – seine entsprechenden Merkmale speichern – ein uralter Traum der Kriminalisten. Ich fürchte, er rückt näher und er ist für uns Bürgerrechtler doch eher ein Alptraum.”
In anderen Ländern ist dieser Alptraum der Datenschützer fast Realität. Die USA bauen zentrale Register biometrischer Daten auf. Auch die EU will von allen Reisenden biometrische Daten speichern. Eine solche Speicherung der digitalen Ausweisdaten, setzt voraus, dass sie vom Funk-Chip des Ausweises ausgelesen und anschließend entschlüsselt werden können. Wer das darf, ist bisher nicht genau festgelegt. Fest steht nach den Planungen des Innenministeriums nur:
Fingerabdrücke und Gesichtsbild sollen in keinem Fall durchs Internet transportiert werden. Wer die Daten auslesen will, muss den Ausweis in der Hand haben. Außerdem sollen auf die biometrischen Ausweis-Daten allein staatliche Stellen zugreifen dürfen. Das sind einerseits natürlich deutsche Ämter und Behörden, sagt Martin Schallbruch, IT-Direktor des Innenministeriums.
“Aber solche Zugriffsrechte müssen wir natürlich auch international vergeben und wir haben in Europa noch keine Einigung darüber: Wollen wir jetzt den Amerikanern oder Australiern oder anderen die Möglichkeit geben, die Fingerabdrücke aus den Deutschen Pässen auszulesen?”
Können auch Ländern wie Iran, Jemen und Saudi-Arabien Fingerabdrücke und Gesichtsbilder der Deutschen speichern? Alles noch offen.
Die Gefahren der biometrischen Aufrüstung des Personalausweises seien sehr groß, sagen Kritiker, der Nutzen dagegen sei nicht erkennbar. Die Bundesregierung verteidigt ihr Ausweis-Projekt mit zwei Argumenten. So solle der Ausweis Passersatz bleiben, daher müssten auch Fingerabdrücke auf ihm gespeichert werden. Außerdem werde der Personalausweis fälschungssicherer, wenn der Inhaber verglichen werden könne mit einem Gesichtsbild und dem Fingerabdruck auf dem Chip. Grünen-Experte Wieland kann dieses zentrale Argument der Bundesregierung nicht überzeugen:
“Die Zahlen der Verfälschungen oder Verfälschungsversuche sind tatsächlich so gering, dass man nicht sagen kann, dass hier irgendeine Sicherheitslücke besteht.”
Nach Angaben des Bundeskriminalamtes wurden in den vergangen sieben Jahren 216 Fälschungsfälle registriert, davon 88 Totalfälschungen. Der heutige Personalausweis kann also als fälschungssicher gelten. Das bestreitet auch Innenstaatssekretär Hans Bernhard Beus nicht.
“Er wird kaum gefälscht, aber kann natürlich von Personen benutzt werden, die sich im Aussehen dem Bild angleichen, was auf dem Ausweis vorhanden ist (BANSE: Wie viele Fälle gibt es da?) Da kann ich ihnen im Moment keine konkrete Fallzahl sagen, aber ich glaube, die Möglichkeit ist gegeben.”
Keine überzeugende Begründung für ein Projekt, das Steuermilliarden kostet und die Überwachung der Bürger in neue Dimensionen treibt, sagen Kritiker. Die biometrischen Daten auf dem Ausweis würden ihn nicht sicherer, sondern unsicherer machen: Wer erstmal der digitalen Personendaten habhaft wird, könne damit leichter fremde Identitäten annehmen als bisher.
Doch an die sensiblen Ausweis-Daten auf dem Chip heran zukommen, ist für Unbefugte nicht einfach. Die digitalen Informationen auf Ausweis und Reisepass werden mit identischen Techniken geschützt. Die gewöhnlichen Angaben zur Person sind dabei schwächer verschlüsselt als die biometrischen Informationen Fingerabdruck und Gesichtsbild.
Die Angaben zur Person haben Hacker bereits unbefugt vom Chip abrufen und entschlüsseln können. Doch dazu müssen sie den Ausweis in der Hand halten. Im Vorbeigehen sei dieser Datenklau nicht möglich, sagt das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik. Sicherer noch sind die biometrischen Daten auf dem Chip. Fingerabdruck und Gesichtsbild könne unbefugt bisher niemand auslesen, sagt die Informatikerin Constanze Kurz vom Chaos Computer Club:
“Hier hat sich das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik sehr stark gemacht für eine starke kryptografische Sicherung. Dennoch muss man natürlich sagen, sie können auch nicht garantieren, dass die zehn Jahre hält.”
Technisch soll der elektronische Personalausweis identisch sein mit dem biometrisch aufgerüsteten Reisepass, der seit Ende vergangenen Jahres ausgegeben wird. Doch gerade mit den Fingerabdrücken hat es beim Pass massive Probleme gegeben. Medienberichten zufolge konnte in Meldestellen nicht überprüft werden, ob auch der richtige Fingerabdruck auf dem Ausweis gespeichert wurde. Die Übertragung der biometrischen Daten in die Bundesdruckerei war zudem unsicher, Fingerabdrücke und Gesichtsbilder hätten gestohlen werden können.
Es habe sich zudem herausgestellt, dass die Fingerabdrücke älterer Menschen deutlich schlechter seien, als erwartet, sagt die Informatikern Constanze Kurz, vom Chaos Computer Club. Bisher sein die Wissenschaft davon ausgegangen, dass Fingerabdrücke durch Abrieb und Alter erst mit 60, 70 Jahren unbrauchbar werden können:
“Aber es hat sich herausgestellt, dass es doch schon ab 45 oder 50 Jahren Probleme gibt. Und man kann sich natürlich vorstellen: Wenn erstmal die Infrastruktur an biometrischen Erkennungssystemen an den Grenzen steht, dann werden diese Menschen mit massiven Problemen rechnen müssen, praktisch heißt das: Rückweisung. Das heißt, sie sind der rechtmäßige Besitzer des Passes, aber sie werden biometrisch nicht erkannt.”
Die Opposition im Bundestag fordert, die Erfahrungen mit dem biometrischen Pass erstmal auszuwerten, bevor auch auf dem Ausweis Fingerabdrücke und Gesichtsbild gespeichert werden, und zwar diesmal von allen Bürgern über 16. Wolfgang Wieland, rechtspolitischer Sprecher der Grünen:
“Wir möchten erstmal abwarten, ob die Befürchtungen zutreffen, dass hier unbefugt ausgelesen wird, dass es auf diesem Weg Identitätsdiebstahl gibt. Das ist ja gerade bei Pässen, die man im Ausland sehr oft aus der Hand geben muss, an der Hotelrezeption hinterlegen muss, für Tage, wenn nicht für Wochen, für uns immer ein großer Gefahrenpunkt gewesen. Das heißt, man sollte das in Ruhe erstmal auswerten.
Der Innenstaatssekretär und IT-Beauftragte der Bundesregierung Hans Bernhard Beus, lehnt das ab und bestreitet massenhafte Probleme mit dem neuen Reisepass:
“Es gibt natürlich bei einem solchen technischen Großprojekt Anlaufprobleme, die es immer gibt. Die waren aber, wenn man sie vergleicht mit Problemen, die es bei anderen großen IT-Projekten gegeben hat, doch wirklich gering und haben sich in kurzer Zeit beheben lassen, so dass das Verfahren nach unserem Kenntnisstand doch wirklich reibungslos verläuft.”
Dennoch: Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der biometrischen Daten auf dem Ausweis sei für die Bürger mangelhaft, sagen Kritiker. Constanze Kurz vom Chaos Computer Club vermutet, dass nicht eine noch bessere Fälschungssicherheit das treibende Motiv der Bundesregierung sei:
“Es geht natürlich um die Förderung der Biometrie-Industrie. Und es ist ja auch ein legitimes Ziel der Bundesregierung, die deutsche Industrie zu fördern. Aber zu welchen Kosten? Denn die Kosten dafür zahlt der Bürger. Weil diese Biometrie wird schleichend in den Alltag wachsen.”
Der elektronische Personalausweis als Wirtschaftsförderung – daraus machen Industrievertreter keinen Hehl. Sechs EU-Länder werden bald elektronische Personalausweise ausgeben – alle technisch völlig unterschiedlich. Auf EU-Ebene wird daher händeringend nach einer Technik gesucht, mit der alle elektronischen Personalausweise auch in ganz Europa gelesen werden können, sagt Klaus-Dieter Wolfenstetter von den Deutschen Telekom Laboratories. Wer auf diesem „Kriegsschauplatz“ den Zuschlag erhält, kann richtig Geld verdienen.
“Wir, Gemany, haben hier die Chance, Flagge zu zeigen und auf dem Kriegschauplatz unsere Angebote anzubieten. Wir haben die Chance, unsere Qualität zu zeigen, schnell zu sein. Wir brauchen dazu eine richtig gute Industriepolitik, eine noch bessere als jetzt, dezent gesagt. Wir müssen jede Kraft sammeln im Land, um das zu treiben, um auch langfristig, mit wirklich Geld zu sagen: Das ist security made in Germany.”
Auch das Innenministerium bestreitet nicht, dass mit dem elektronischen Personalausweis die deutsche Wirtschaft gefördert werden soll. Staatssekretär Beus:
“Also es ist sicher richtig, dass wir uns bemühen, in einer Vielzahl von IT-Techniken vorne zu liegen. Ich glaube, dass ist für ein Land, das Hochtechnologie anbietet, der richtige Standpunkt. Und insofern ist es sicher gut und richtig, wenn wir diese Technologie, die ja eine Zahl von europäischen Ländern schon umgesetzt hat, jetzt auch umsetzen und nicht hier das Schlusslicht bilden.”
Beus glaubt nicht, dass sich die Bundesbürger kriminalisiert fühlen, weil jeder zwei Fingerabdrücke abgeben muss. Die Vorteile des neuen Digi-Ausweises würden für die Bürger überwiegen. Denn neben den Sicherheitsmerkmalen sind im neuen Ausweis auch Service-Funktionen eingebaut. Sie sollen das Leben der Deutschen im Internet bequemer und sicherer machen.
Auf dem Chip des Biometrie-Perso lagert nämlich auch ein digitales Zertifikat, mit dem sich der Ausweisinhaber im Internet genauso identifizieren können soll, wie auf der Straße oder im Videoladen. Ein Ausweis fürs Netz – selbst Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, ist von dem Konzept schon überzeugt.
“Häufig hat man es ja heute damit zu tun, dass irgendwelche Betrüger sich meiner Personalien bedienen, unter meinem Namen etwas verkaufen, bestellen oder sonst welchen Unsinn anrichten. Wenn ich jetzt die Möglichkeit habe, meine Identität auch im Netz nachzuweisen mit einem elektronischen Ausweis, dann ist das erstmal gut.”
Zur höheren Sicherheit, käme mehr Komfort. Wer heute im Netz ein Bankkonto eröffnen oder bei Auktionshäusern mitsteigern will, muss ein Papier unterschreiben, zur Post laufen, seinen Ausweis vorlegen und dann einige Tage warten. Auch für viele staatliche Leistungen kommen Bürger nicht umhin, eine Behörde aufzusuchen, und eigenhändig ein Papier unterschreiben. Mit dem neuen Ausweis sollen viele dieser Dienste übers Internet abgewickelt werden können – schnell und sicher.
Sein Auto könnte der Bürger zukünftig wie folgt ummelden: Er surft zur Webseite seiner örtlichen Zulassungsstelle, wählt „KFZ-Ummelden“, hält seinen neuen Ausweis vor ein kleines Lesegerät, das an seinen Rechner angeschlossen ist, auf seinem Schreibtisch steht und im Laden für knapp zehn Euro zu haben sein soll. Auf dem Computerbildschirm erscheinen die Daten, die die Zulassungsstelle vom Ausweis abrufen möchte. Ist der Bürger einverstanden, gibt er eine vierstellige PIN ein und die Daten werden übertragen.
Dank des neuen Ausweises wüssten nicht nur Staat und Onlinehändler zuverlässiger, mit wem sie Geschäfte machen. Auch die Bürger hätten mehr Kontrolle darüber, wem sie welche Daten anvertrauen, sagt Jan Möller, Projektleiter „Elektronischer Personalausweis“ im Bundesinnenministerium:
“Die Idee ist es, dass ein Dienstanbieter online personenbezogene Daten verifiziert aus dem elektronischen Personalausweis anfragen kann, dazu eine Anfrageberechtigung, ein Zugriffszertifikat vorlegt, was genau enthält, welche Daten denn angefragt werden, was auch enthält, wer dort anfragt. Man hat letztlich eine gegenseitige Authentisierung. Dann kann der Bürger durch Eingabe einer PIN die Daten eben freigeben kann – oder auch nicht, je nachdem wie er das wünscht.”
Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte:
“Das heißt, es ist damit auch für den Bürger sichergestellt, dass nicht etwa – wie man das bei den so genannten Phishing-Attacken feststellen konnte – jemand sich fälschlicherweise zum Beispiel als Bank ausgibt, mit der man ja gar nicht Geschäfte machen will. Also diese Sicherstellung der Identität des Anbieters soll mit diesem System gewährleistet sein. Aber das ist natürlich ein recht anspruchsvolles Vorhaben.”
Zumal der Netz-Ausweis zahlreiche weitere Funktionen haben soll. Etwa Pseudonyme. Damit könnten sich Surfer bei einem Online-Dienst anmelden, ohne ihren Namen preis zu geben. Online-Videotheken etwa brauchen nur das Alter, Online-Büchereien oft nur den Wohnort zu erfahren. Solche digital abgesicherten Pseudonyme sind eine wichtige Forderung von Datenschützern. Doch auch hier ist die technische Umsetzung entscheidend: Ermöglichen die Pseudonyme wirklich anonymes Surfen oder kennt der Staat womöglich doch die Klarnamen?
Selbst wenn der Ausweis hält, was das Innenministerium verspricht – die große Frage ist: Werden die Bundesbürger seine neuen Funktionen auch nutzen? Eine Umfrage des Branchenverbandes der deutschen IT-Industrie ergab: 42 Prozent aller befragten würden den elektronischen Personalausweis samt Lesegerät für Online-Banking oder staatliche Dienste nutzen. Für Online-Auktionen würde ihn nur noch ein Drittel einsetzen. Gut jeder zehnte lehnt den Einsatz völlig ab.
Damit Surfer den „Ausweis fürs Netz“ nutzen, muss die Technik einfach zu handhaben sein und reibungslos funktionieren. Ausweis, Lesergerät auf dem Schreibtisch, Software auf dem Rechner, Software im Internet – all das wird wohl noch nicht rund laufen, wenn 2009 die ersten Ausweise verteilt werden sollen, glaubt Klaus-Dieter Wolfenstetter, von den Deutschen Telekom Laboratories und beim Branchenverband BITKOM zuständig für den elektronischen Personalausweis.
“Sie sprechen einen wunden Punkt an. In der Vergangenheit, wir kennen das Problem: Chipkarte, Lesegerät, Treibersoftware – es passt nichts zusammen. Aber deswegen haben sich der Bund und die Privatwirtschaft im deutschen Industrieforum zusammengesetzt und entwickeln eine eCard-API, also eine Schnittstelle, die alles können soll. Natürlich braucht man eine Software, die ist noch nicht da, aber die Richtung stimmt schon mal.”
Der eingeschlagene Weg führt jedoch allenfalls zu einer deutschen Lösung. Eine Ausweis-Technik für ganz Europa – das sei nur eines der großen ungelösten Probleme, sagt Martin Schallbruch, IT-Direktor im Bundesinnenministerium:
“Wenn dann der berühmte portugiesische Frisör seine Geschäftstätigkeit aufnehmen will und sich identifizieren möchte mit einem portugiesischen Personalausweis oder einem deutschen oder einem spanischen – tja, wie geht das eigentlich gegenüber der rumänischen Handwerkskammer?”
Auch große Wirtschaftsunternehmen sind skeptisch, ob Internetnutzer sich mit dem neuen Ausweis im Netz ausweisen werden. eBay muss heute viel Aufwand betreiben, um die Identität seiner Auktionsteilnehmer zu überprüfen. Auf den ersten Blick ist elektronische Personalausweis wie gemacht für die Plattform. Doch Vorstandsmitglied Wolf Osthaus glaubt nicht, dass der Ausweis jemals Voraussetzung wird, um sich bei eBay anzumelden. Einerseits hätten frühestens in 12 Jahre alle Bundesbürger einen elektronischen Ausweis. eBay-Mann Osthaus stellt aber das ganze Design des elektronischen Personalausweises in Frage. Der eBay-Manager kritisiert, dass Service-Funktionen und biometrische Daten auf einer Karte gespeichert werden sollen.
“Kann man wirklich biometrische Merkmale einbinden? Was geplant ist, was man machen kann. Aber kriegt man vermittelt, dass solche Merkmale bei einer kommerziellen Anwendung hinreichend geschützt sind, so dass der Bürger nachher nicht vom kommerziellen Einsatz Abstand nimmt, weil der denkt: „Hmm, meinen Fingerabdruck möchte ich eBay jetzt doch lieber nicht schicken.“
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar fordert daher, biometrische Daten und Service-Funktionen auf zwei verschiedenen Karten unterzubringen. Dann könnte sich jeder überlegen, ob er wirklich einen Ausweis fürs Netz braucht – und dafür deutlich mehr zahlen will. Denn heute kostet ein Personalausweis acht Euro. Der elektronische Reisepass schlägt schon mit 59 Euro zu Buche. Dank seiner neuen Service-Funktionen dürfte der elektronische Personalausweis noch einmal deutlich teurer werden.
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Ein interessanter Artikel mit Sammlung vieler Meinungen! Kompliment! Mich würde jedoch auch Ihr persönlicher Standpunkt interessieren.
Zudem hört man Gerüchte über die Sicherheit der Daten auf dem RFID-Chip – da wird behauptet, dass deutsche Diplomaten oder andere Regierungsvertreter diesen nur mit einer Hülle bei sich tragen, damit niemand die Daten unbefugt auslesen kann – dann glaubt doch niemand, dass dieser Ausweis sicher ist!
Auch ich sehe die Speicherung der biometrischen Daten sehr kritisch – wer garantiert mir denn, dass beim Einlesen der Fingerabdrücke im Meldeamt nicht auch automatisch ein Datensatz erzeugt wird, der in einer zentralen Db hinterlegt wird – das kann man ja nicht nachvollziehen! Und dann überlegt man noch anderen Ländern Zugriff auff diese Daten (z.B. bei der Einreise) zu geben – als ob es nicht reicht, dass wir Fluggastdaten z:B. zur jahrzentelangen Speicherung an die USA übermitteln…
Bei diesen Themen kann ich wirklich nur mit dem Kopf schütteln… und von den Kosten will ich gar nicht anfangen…
Kompliment nochmal und viele Grüße!
Marc Kleine
Danke für die Blumen ;-)
Zu den Diplomatenpässen: Jan Möller, Leiter “Elektronischer Personalausweis” im BMI, sagte mir, das Gerücht sei falsch. Die Diplomatenpässe seien mit den Reisepässen der normalen Bürger technisch identisch. Ich werde die komlpletten Interviews für das DLF-Stück hier noch online stellen, wahrscheinlich am Wochenende. Viele Grüße, Philip Banse
Deine Sendung hat mir gefallen.
In dem Film “Zeitgeist”
http://video.google.de/videoplay?docid=-5690178627913306249&q=&hl=de
(kann ich nur empfehlen), wird das Szenario beschrieben, in ein paar Jahren, diesen Chip jedem Menschen unter die Haut zu pflanzen. Ich denke, das ist durchaus realistisch.
Wie kann man sich dagegen wehren? Hat jemand Ideen!
Gruss
Markus