Peter Schaar über biometrische Daten in Reisepässen

Habe für die Frankfurter Rundschau zur Einführung biometrischer Daten in Pässen ein Interview gemacht mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar.

Zum selben Thema habe ich auch noch einen Artikel geschrieben.

Frankfurter Rundschau: Wer zukünftig einen Reisepass beantragt, muss seinen Fingerabdruck speichern lassen. Betroffen sind 350 Millionen Europäer, darunter 75 Millionen Deutsche. Ist das ein Problem?

Peter Schaar: Die Frage ist, wo diese Daten gespeichert werden dürfen. Datenschützer haben da eine ganz klare Position: Biometrische Daten dürfen nur in den Personalpapieren selbst gespeichert werden. Werden Fingerabdruck und Foto aber zentral gespeichert, wäre es beispielsweise möglich, Personen auf Überwachungsvideos zu identifizieren. Es könnte nachvollzogen werden, wo ich mich wann und mit wem getroffen habe. Und das wäre mit dem Grundrecht auf die so genannte informationelle Selbstbestimmung nicht zu vereinbaren.

FR: Die EU erwägt ja, alle Fingerabdrücke, Bilder, Namen und Passnummern zentral in einem Europäischen Passregister zu speichern.

Schaar: Eine solche zentrale Datenbank hat der Bundestag für Deutschland aber verboten. Ich gehe zudem davon aus, dass auf europäischer Ebene das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

FR: Die Pässe werden voraussichtlich mit einem so genannten RFID-Chip ausgerüstet, der die Daten des Passinhabers ständig per Funk in seine Umgebung sendet. Können die Bürger sicher sein, dass ihre Pass-Daten nicht unbemerkt ausgelesen werden, zum Beispiel bei einer Demonstration oder im Supermarkt?

Schaar: Genau das muss natürlich verhindert werden. Aus welcher Entfernung der Chip ausgelesen werden kann, wie er gegen ein heimliches, unbefugtes Auslesen durch Dritte geschützt wird – all das ist bisher überhaupt noch nicht geklärt.

FR: Können die Bürger eigentlich selbst überprüfen, was auf dem Chip gespeichert ist?

Schaar: Die Betroffenen müssen die Möglichkeit erhalten zu erkennen, was da über sie gespeichert wird. Zum Beispiel über Leseterminals. Ansonsten bestünde immer die Befürchtung, dass auf einem solchen Chip heimlich bestimmte Informationen sind, die man mit sich herumträgt und preis gibt, ohne das zu wissen.

FR: Was ist der deutschen Bevölkerung wichtiger: der Schutz ihrer Daten oder die Sicherheit ihres Landes? Sind nicht gerade nach dem 11. September oder den Attentaten in Madrid viele Menschen bereit, mehr Informationen über sich preis zu geben?

Schaar: Ich halte dies für eine Scheinalternative. Bei jeder Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, muss abgewogen werden, ob ein möglicher Sicherheitsgewinn Beschränkungen der Freiheit rechtfertigt. Ich habe den Eindruck, dass diese Abwägung derzeit nicht immer mit der notwendigen Sorgfalt erfolgt.

Frankfurter Rundschau, 10. Nov. 2004

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