Mit der Breitband²-Ausgabe vom Samstag ist Experiment, eine Radio-Sendung live im Netz zu übertragen, beendet – zumindest vorerst. Wir haben insgesamt sechs einstündige Sendungen vom Breitband² live übertragen und im Youtube-Kanal des Breitband veröffentlicht. Wir wollten ausprobieren, wie viel technischer Aufwand damit verbunden ist, was das für Zuschauer und Hörer bringt und ob der Charakter einer Radio-Sendung sich verändert.
Hier ein kurzes persönliches Fazit.
Der Charakter der Radio-Sendung verändert sich nicht. Das, was ich an Radio so liebe, das uneitle Gespräch ohne Gockel-Zwang, ist weiterhin möglich, auch wenn drei Kameras im Studio stehen. Die Kameras sollten allerdings so klein wie möglich sein und keinen Kamera-Mann/Frau erfordern.
Ich mag die Studio-Optik. Wir haben bewusst keine Bühne, Deko oder dergleichen gebaut, sondern einfach auf unsere schönen Studios vertraut. Ich finde, das hat prima geklappt. Große Mikos, schönes Studio – Radio at work. Mir gefällt das.
Die Möglichkeit, Bilder, Webseiten und dergleichen einzublenden, empfinde ich als große Bereicherung. Wir haben das leider zu wenig genutzt, aber wenn wir es gemacht haben, wie bei der letzten Sendung, hatte es einen echten Mehrwert – ohne, dass Hörer ausgeschlossen wurden oder nicht mehr folgen konnten.
Gerade bei der letzten Sendung hat der Chat wichtige Anregungen gebracht, die vor allem die Gäste aufgegriffen haben. Im Chat, bei Google Plus und auf Twitter gab es Anmerkungen und Kritik, auf die man heute einfach nicht mehr verzichten will. Es entsteht eine Kommunikation, die für jedes Medium heute selbstverständlich sein sollte.
Ja, es sind – abgesehen von Einblendungen – nur Talking Heads in einem Radio-Studio zu sehen. Das muss aber erstens nicht so sein, wenn man etwa von Veranstaltungen etc. sendet. Und zweitens: Niemand muss sich das ansehen. Nach wie vor funktionieren die Sendungen als Audio only und sie verlieren auch nicht ihre Radio-Anmutung. Es gibt aber reichlich Menschen, die sich doch lieber oder zusätzlich das Video ansehen: weil sie Gesichter sehen wollen, weil sie Emotionen sehen wollen, weil sie die Einblendungen sehen wollen, weil die Studiotechnik sehen wollen oder weil sie einfach visuelle Menschen sind. Ich gehe davon aus, dass das Live-Video bei vielen im Hintergrund läuft. Hingeschaut wird nur, wenn es wirklich etwas zu sehen gibt. Und allein für diese Möglichkeit lohnt sich der Live-Stream schon.
Denn der technische Aufwand für einen qualitativ hochwertigen, stabilen und optisch ansprechenden Live-Video-Stream ist gering. Drei Kameras, Live-Schnitt, Streaming, Aufzeichnung, Ton – dank neuer Videotechnik (die ich mir zusammengebaut habe und hier sicher auch noch mal detaillierter beschreiben werde) sind die Hardware-Kosten extrem gesunken. Der Aufbau meines Video-Setups dauert eine gemütliche Stunde, ist aber auch in 30 Min. zu machen. Die Kosten des Streamings erreichen pro Sendung selten den dreistelligen Bereich. Natürlich steigen die Kosten mit der Zuschaueranzahl, aber bei Amazon kosten 500 Zuschauer, die eine Stunde zusehen und 800 kBits erhalten 40-50 Euro.
Video unterstützt auch die Vorstellung von “Radio als Plattform”. An einem zentralen Ort wird Inhalt erstellt, der anschließend auf allen verfügbaren Kanälen verbreitet wird: UKW, mp3-Stream, Podcast, Twitter, Facebook, Hangout. Und eine Bewegtbild-Variante hilft bei der Verbreitung des Inhalts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sascha Pallenberg, einen mp3-Stream auf seiner Seite eingebettet hätte. Der Video-Embed auf MobileGeeks.com hat viele Zuschauer gebracht.
Ich hoffe, es wird weitere Gelegenheiten geben, Video-Radio zu machen.
Mich würde interessieren, wie Ihr das seht.
Ich mag Radio gerade weil man da nichts sehen kann. Wenn es ein Bild gibt habe ich immer den Drang hinzuschauen, auch wenn ich weiß das der Mehrwert sehr gering ist. Vielleicht bin ich da zu konservativ, aber ich mag es sich Sachen vorstellen zu müssen – nicht zu wissen wie Menschen oder Studios aussehen.
Wenn aber Video zu Radio, dann so wie ihr es gemacht habt – möglichst unauffällig im normalen Studio integriert. Radio auf einer Bühne (oder sogar mit Publikum) stattfinden zu lassen mag ich gar nicht. Das ist für mich dann kein Radio mehr, sondern Fernsehen mit Radio-Verwertung.
Ich bin langjähriger Fan von Breitband und – warum auch immer – die meisten Folgen hör ich erst nach Ausstrahlung als Podcast.
Video ist sicherlich schick aber solange ihr die “Audio only” Fraktion nicht vergesst ist alles schön. Konnte mir gestern beim Fahrradfahren alle Funktionen, die ihr in der Patent-Sendung vorgestellt hattet auch sofort vorstellen. Ohne Bild.
@BarbNerdy Prima, so soll es sein.
@Hyperkeks So geht es mir persönlich auch. Ich höre Radio auch meist als Podcast, da ist der Drang, ins Video zu wechseln, gering und mit großen Hürden verbunden ;)
Auch für mich steht das Radioerlebnis im Vordergrund. Freue mich aber über die Gelegenheit, mir die Köpfe hinter den Stimmen ansehen und Radio-/Podcastmachern (Küchenradio …) mal bei der Arbeit zusehen zu können. Die Einblendungen sind dann das Tüpfelchen auf dem i.
Genau, die Wortmeldungen hier deuten für mich in die Richtung: Das Radio kann weiter Schwerpunkt sein und wird von der Tatsache, dass es auch als Video gestreamt wird, nicht beeinträchtigt. Mitunter ist das Video dann sogar von Nutzen sein ;)
Fand das Projekt auch große klasse! Kann mich da deiner Einschätzung nur anschließen.
Zwei Punkte noch:
Ich hatte das Gefühl, dass bei den Video-Sendungen verstärkt auf Anregungen der Hörer eingegangen worden ist. Auch die Idee, dass quasi die Redaktion mit im Chat sitzt und dann für die Sprechere vorfiltert ist gut. Scheint mir auch erst durch die Quadrat-Initiative entstanden zu sein.
Zudem bieten die Videoübertragungen die Möglichkeit schon vor Sendungsbeginn mit dabei zu sein. Man mag es als Radiomensch vielleicht kaum glauben, aber es ist total spannend mal zu sehen, wie das in einem Studio so abläuft, bevor es dann wirklich losgeht.
Ist das Projekt denn nun komplett beendet? Oder ist eine Fortsetzung in Aussicht?
Hmm. Ich bin ein visueller Mensch und Bildermacher und empfinde halbgare und beliebige Bildgestaltung und lieblose Kadrage immer etwas belastend. Wenn man schon eine Kamera aufstellt, dann sollte das Bild/Medium auch fachgerecht gestaltet sein und nicht als webcamesquer beliebiger Bilderstrom daher kommen. Ich würde zu einer Unterstützung durch professionelle BildestalterIn raten, die bei der Formulierung des Bildraumes hilft.
Gute Punkte. Die Web-Redaktion ist ziemlich hilfreich.
Inwieweit neue Sachen geplant sind, kann ich nicht sagen.
Schau mal hier:
https://plus.google.com/108439267335906541102/posts/euDRLPmeNqs
Wenn es weiterhin zuverlässig eine (nachträgliche) MP3 Download-Möglichkeit gibt, habe ich gegen eine LiveVideo nichts einzuwenden.
Aber eine Gefahr sehe ich doch: bei einem Video wissen die Studiogäste, dass Sie gefilmt werden. Und da bin ich mir nicht sicher, ob hier nicht doch noch (unbewusst) eine gewisse “innere Schere” mitläuft…. ein reines Radiointerview (ohne Kamera) vermittelt – so stelle ich mir das vor – eine gewisse “Intimität” und damit Sicherheit für den Gast/die Gäste. Damit wird wohl tendenziell ein unverkrampfteres und ehrlicheres Gespräch möglich. Ich denke, dass das nicht nur für medienunerfahrene Gäste gilt, sondern auch für Prominente und sonstige Personen des öffentlichen Lebens, die regelmäßig Ihr Gesicht in eine Kamera halten und Ihre genormten und sorgsam abgewägten Statements abgeben.
@Kinolux Mag sein. Unsere Bilder fand ich gerade zum Schluss nicht mehr allzu Webcam-like. Aber sicher ist da Luft nach oben. Der Aufwand darf aber nicht zu groß werden. Was würdest Du denn anders machen? Framing anders? Licht?
@JH Das müsste man letztlich die Gäste fragen. Aber ich habe eine valide Vergleichsbasis. Ich mache seit Jahren Radiointerviews und Podcasts und jetzt eben ab und an mal Video. Es war und ist immer mein Kernanliegen, dass diese auch von Dir geschätzte intime Radioatmosphäre, das unverstellte Gespräch nicht zerstört wird. Ich behaupte: Beim Breitband ist das nicht passiert. Die Kameras waren klein, wir hatten kein künstliches Licht, keine Maske, keine Kameramänner. Die Gäste haben sich nach meinem Empfinden nicht anders verhalten als sie das bei einem gewöhnlichen Radio-Interview getan hätten.
Anders ist das manchmal bei Podcasts: Da gibt es oft Licht (weil abends), ich bin viel mehr mit Technik beschäftigt, weil ich alles alleine mache und die ganze Video-Technik ist präsenter. Bis der Workflow da nicht nahtloser und reibungsloser ist, bis die Technik da nicht noch zurückhaltender ist, würde ich bei einigen Podcast-Formaten (intensive, persönliche Gespräche/Interviews) Video eher weglassen.
Ich fand das Experiment mit der Kamera insofern schön, weil mich die Menschen hinter den Mirkos interessieren. Habe mir nach Anhören des Podcasts die eine oder andere Aufzeichnung angesehen. Am Allerbesten fand ich aber das Format: Eine Stunde Talk über 1 Thema ohne Musikunterbrechnung. Das ermöglicht Tiefgang.
Wichtig finde ich, dass die Kamera / Inszenierung nicht in den Vordergrund rückt (“Webcam”-Stil finde ich genau richtig). Und dass die Sendung auch ohne Bild funktionierert – also keine Websites oder Bilder einblenden, die fürs Verständnis des Kontexts wichtig sind.
Genau.
Wie findest Du denn QTV?
http://m.youtube.com/watch?v=YbmPDZjvJF8