Hacker-Zirkus

Liebe Hacker und Hackerinnen,

ich war die Tage im Zirkus Roncalli. Die zweistündige Show bestand aus den üblichen Akrobatik- und Pferde-Nummern – nur die letzte Show-Einlage fiel aus dem Rahmen, zog das ganze Zelt ihren Bann, hat die Leute zu Tränen gerührt und mich auf eine Idee gebracht.

Die Nummer war recht simpel: Claude Criblez betrat die Manege, neben ihm schwebend ein lebensgroßer, silberner Delfin. Als Ballon, gefüllt mit irgendeinem Gas, wie man sie halt auf dem Jahrmarkt kaufen kann. An seinen Seiten hatte der Delfin-Ballon zwei Propeller, so dass Criblez ihn durchs Zelt fliegen lassen konnte. Aus einem mannshohen Zylinder voller Trockeneis, dessen eine Seite eine runde Öffnung hatte, konnte der Zirkusmann wabernde Gas-Ringe durchs Zelt schicken, wie ein Zigarrenraucher, der Rauchringe ausbläst. Der Delfin flog hinter den Ringen her und tauchte unter dem Applaus der Leute hindurch. Das träge Flugverhalten des Tierchens war so Herz erweichend, dass den Leuten der Atem stockte – und in ein Juchzen überging, als der Delfin zum Abschied mit seiner Schwanzflosse winkte.

Da dachte ich: Genau, was wir brauchen ist ein Hacker-Zirkus. Menschen, Tiere und Sensoren!

Der Delfin wurde mit dezentem Technik-Einsatz zum Leben erweckt und hat wirklich eine poetische Magie entwickelt, die nichts mit der klebrigen André-Heller-Zirkus-Romantik zu tun hatte, sondern wirklich eine neue Form von Zirkus zeigte.

Hier waren es nur ein paar Akkus und ein paar Propeller. Was aber ist erst möglich mit der ganzen Technik, die Ihr in den letzten Jahren frei gehackt habt?

Quadrokopter-Synchronflüge, Roboter-Dressur, diverse Funktechniken, Licht-Spielereien angereichert mit ein paar physikalisch-chemischen Elementen – ich würde so gern eine Show sehen, die Eure ganze technisch-ästhetische Kreativität und Spielfreude bündelt zu einem bunten Strauß zeitgemäß-inspierender Attraktionen.

Ich wünsche mir keine Technik-Demos, sondern Vorführungen, die Technik innovativ und spielerisch nutzen, um etwas Schönes, Erhellendes oder Lustiges zu machen.

“You can create art and beauty on a computer.” – Steven Levys zuletzt etwas vernachlässigter Hacker-Leitspruch könnte mit neuem Leben erfüllt werden. Die massen-mediale Berichterstattung über das Treiben der Hacker würde um eine Facette bereichert – aber vor allem würde es eine Menge Spaß machen.

Ich stelle mir tatsächlich ein klassisches Zirkus-Setting vor, mit Manege, Licht und Live-Musik. Ich habe ein, zwei Ideen, wie und wo man das umsetzen könnte, aber noch ist nichts konkret. Mich würde einfach mal interessieren, wie Ihr die Idee findet. Natürlich freue ich mich auch über Vorschläge, Ideen und Anregungen, was man in so einem Hacker-Zirkus zeigen könnte. Danke für Euer Feedback.

12 Gedanken zu „Hacker-Zirkus“

  1. Einen Link habe ich Dir eben schon bei Twitter geschickt. Die Firma Festo hat zwar keine Hackerkultur, aber fördert auch Basteleien wirkliche Innovationen (finde ich jedenfalls). Von denen stammen drei Geräte, die bei entsprechender Inszenierung ebenfalls ähnliche Reaktionen auslösen könnten.

    http://www.youtube.com/watch?v=nnR8fDW3Ilo

    http://www.youtube.com/watch?v=jPGgl5VH5go

    http://www.youtube.com/watch?v=CLxWnGKaYIk

    Dunkelheit, ein paar Scheinwerfer, sphärische Musik, die Leute wären begeistert.

    Dieter, @dieterjosef

  2. Die Idee finde ich ganz gut (auch wenn ich Zirkus nicht mag). Ich vermute aber, dass viele Künstler mit einzelnen Performances (da gibts ja auch einiges mit Technik heutzutage) mehr verdienen, als als Teil einer Zirkusveranstaltung.

  3. also ich finde es eine gute idee, die von Dieter oben gepostetet Beispiele zeigen ja schonmal in eine spannende Richtung.

    Braucht es nur jemand mutigen, der es angeht…ansonsten werden bestehende Zirkusse das sicherlich nach und nach für sich entdecken, siehe obiges Beispiel mit dem Delfin.

  4. Ich würde auch gerne mal einen professionellen Hacker-Zirkus sehen, aber auf eine andere Art. Wir haben dieses Jahr Bundestagswahl und wenn eine bestimmte Partei mal ein paar der Prinzipien umsetzen würde, die sich Zirkus-Performer auferlegen (gute Vorbereitung jeder Vorstellung, koordiniertes und kooperatives Vorgehen, nicht auf Kosten der anderen arbeiten, “Yes-and?”-Mentalität), dann könnte die große Hand voll Ideen im Programm, die sinnvoll und umsetzbar sind, auf Eingang in die Debatte finden und von den Medien ernstgenommen werden.

    Im Moment ist es auch schon Zirkus, aber keiner schaut sich die Vorstellung mehr als einmal an.

  5. @Dieter Ja, von diesen Festo-Sachen hatte ich auch schon gehört. Die sind wirklich ganz gut. Danke.

    @Gabriele_Kaufrausch Eine politische Dimension des Zirkus wäre unter Umständen sicher hilfreich, sollte aber nicht im Mittelpunkt stehen, finde ich.

    @Moritz et al Die Quadrokopter-Performance auf der Ars Electronica ist gut, müsste aber für einen Zirkus sicher eingedampft werden.

    @ludwig Ich fände es gar nicht schlecht, wenn andere Zirkusse diese Idee übernehmen – einen echten Hackerzirkus kriegen aber nur Hacker hin.

  6. Ich glaube, Hacker sind ne Spur zu sarkastisch für ne “hübsche Show”… aber man könnte da was mit ähnlich denkenden Künstlern hinbekommen (Graffiti Research Lab, Evan Roth, Monochrom etc.)

  7. @René Der Gedanke kam mir auch schon, aber bei Blinkenlights zum Beispiel habe ich keinen Sarkasmus gespürt. Es geht also ;) Die erwähnten Künstler schaue ich mir mal an, danke.

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