Wie die Polizei bei Facebook, Twitter etc. ermittelt

Ich habe für den Deutschlandfunk einen Beitrag gemacht zur Frage, wie deutsche Ermittler an Nutzerdaten und -inhalte bei sozialen Netzwerken kommen. Aus dem Beitrag im DLF musst das Statement des hessischen Justizministers aus zeitlichen Gründen gekürzt werden. Die Webversion auf Dradio.de enthält einige Typos und keine Links. Deswegen hier noch mal als Director´s Cut.

Reutlingen, Ende Februar. Das Amtsgericht verhandelt gegen einen 20-Jährigen, der in eine Wohnung eingebrochen haben soll. Der zuständige Richter vermutet, dass sich in dem Facebook-Profil des Angeklagten wichtige Beweise finden könnten, sagt der Direktor des Amtsgerichts Reutlingen, Friedrich Haberstroh. Schließlich sei Facebook heute das Kommunikationsmittel:

“Deshalb geht er davon aus, dass er hier weitere Erkenntnisse hat, nämlich zum Beispiel, dass die Tat vorher geplant wurde und dass Absprachen eben vorher über Facebook gelaufen sind.”

Deswegen will der Richter das Facebook-Profil des Angeklagten beschlagnahmen. Wenn die Daten auf einem Rechner in Deutschland gespeichert wären, könnten deutsche Polizisten sie mit der Unterschrift des Richters beschlagnahmen. Weil Facebook jedoch behauptet, die Daten lägen auf einem amerikanischen Server, bittet der Richter um Rechtshilfe, das offizielle diplomatische Verfahren über die Außenministerien, an dessen Ende ein US-Staatsanwalt das Facebook-Profil beschlagnahmen kann. Das Problem mit diesem offiziellen Ermittlungsweg:

“Die Erfahrung sagt, unter sechs Monaten ist da fast nichts zu machen.”

Sagt Stefan Redlich, Sprecher der Berliner Polizei und Ende der 90er Jahre Ermittler im Computer-Kommissariat. Und auch der Reutlinger Amtsrichter gibt am Ende auf. Die angefragten Facebook-Daten hat er bis heute nicht bekommen. Weil der offizielle Ermittlungsweg so langwierig und steinig ist, wählen deutsche Ermittler oft einen pragmatischeren Ansatz, sagt Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin:

“Der besteht in aller Regel darin, dass Emails oder Faxe gesandt werden an Firmen, von denen Faxnummer und Emailadressen bekannt sind. Und an diese Kontaktanschriften richtet man dann mehr oder weniger formlose Bitten, Ersuchen, bestimmte Daten zu übermitteln. Und das hängt dann sehr von der Geschäftspolitik der Unternehmen ab, welche Daten sie der Polizei übermitteln und welche nicht.”

Auch der Reutlinger Amtsrichter hatte ein Fax direkt an Facebook geschickt, um die Profil-Daten des Angeklagten auf dem kurzen Dienstweg zu bekommen. Facebook aber lehnte ab, sagt der Richter. Begründung: Das ließen die US-Datenschutzbestimmungen nicht zu. Google dokumentiert solche Ermittler-Anfragen auf seiner Webseite: Im zweiten Halbjahr 2011 haben deutsche Behörden demnach über 1400 Mal Nutzerdaten von Google angefragt, in 45 Prozent der Fälle hat Google Daten geschickt. Ob es nach deutschem Recht erlaubt ist, diese Daten heraus zu geben oder nicht, überprüft kein deutscher Richter, sondern allein Google. Sollen etwa ganze Emails beschlagnahmt werden, müsste das in Deutschland in der Regel ein Richter anordnen. Bei Google-Mail entscheidet das allein Google. Und so kann es vorkommen, dass deutsche Ermittler wesentlich mehr Daten bekommen als sie eigentlich angefragt hatten, sagt Polizeisprecher Redlich:

“Wenn uns eine Firma – sei es nun im Ausland oder in Deutschland – freiwillig mehr gibt, als wir möchten, müssen wird das nicht ablehnen.”

Es spreche nichts dagegen, diese Daten als Beweise vor Gericht zu verwenden – auch wenn es sich um Google-Emails handelt, deren Beschlagnahme in Deutschland in der Regel ein Richter hätte anordnen müssen:

“Ich wüsste nicht, dass irgendwo im Strafverfahren geregelt ist, dass wir bestimmte Dinge nicht verwenden dürfen, die uns jemand freiwillig anbietet.”

Das stimmt, sagt Richter Ulf Buermeyer – leider:

“Das Problem dabei ist, dass es keine rechtliche Vorabkontrolle dieser Anfragen gibt. Das heißt, letztlich entscheiden Polizeibehörden und die betroffenen Unternehmen, ob sie bestimmte Daten übermitteln. Aber die Rechte des Beschuldigten werden jedenfalls nicht von einer neutralen Stelle geprüft.”

Die Privatsphäre der Nutzer hängt also ab vom Engagement des Kommunikationsanbieters: Geben Facebook, Twitter und Co. bei jeder Anfrage von Behörden sofort alles raus oder bestehen sie auf einer richterlichen Anordnung? Um hier die Privatsphäre der Nutzer besser zu schützen, schlägt Richter Ulf Buermeyer vor: Ermittler sollten sich in jedem Fall um einen richterlichen Beschluss bemühen, wenn sie wissen, dass dieser nötig wäre, um mit Zwang an Nachrichten, Fotos oder Chat-Protokolle zu kommen – auch wenn die Firmen diese Daten freiwillig heraus rücken würden.

“Ich würde dazu tendieren, dass man so vorgeht, als würde man gegenüber einer deutschen Internetfirma ermitteln wollen, sich dann die entsprechenden Rechtsgrundlagen nach deutschem Recht beschafft. Nur wenn nach deutschem Recht ein Richter eine Email-Beschlagnahme in der Tat angeordnet hat, nur dann sollten Behörden auch gegenüber einem ausländischen Anbieter tätig werden.”

Diesen Reformvorschlag mag sich der hessische Justizminister und Vorsitzende der Justizminister-Konferenz, Jörg-Uwe Hahn, FDP, nicht zueigen machen:

“Ich tue mich immer etwas schwer, dass alles erst dann rechtsstaatlich sein soll – das ist jetzt etwas polemisch ausgedrückt -, wenn ein Richtervorbehalt dabei ist. Ich vertraue sehr darauf, dass die Staatsanwälte, die ja auch eine unabhängige Funktion wahrnehmen, dass die schon die rechtlichen Vorgaben genau im Blick haben. Deshalb: Bisher ist das kein generelles Problem.”

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Video-Radio – Breitband-Testphase beendet

Manfred Kloiber vor dem Mikrofon.

Mit der Breitband²-Ausgabe vom Samstag ist Experiment, eine Radio-Sendung live im Netz zu übertragen, beendet – zumindest vorerst. Wir haben insgesamt sechs einstündige Sendungen vom Breitband² live übertragen und im Youtube-Kanal des Breitband veröffentlicht. Wir wollten ausprobieren, wie viel technischer Aufwand damit verbunden ist, was das für Zuschauer und Hörer bringt und ob der Charakter einer Radio-Sendung sich verändert.

Hier ein kurzes persönliches Fazit.

Der Charakter der Radio-Sendung verändert sich nicht. Das, was ich an Radio so liebe, das uneitle Gespräch ohne Gockel-Zwang, ist weiterhin möglich, auch wenn drei Kameras im Studio stehen. Die Kameras sollten allerdings so klein wie möglich sein und keinen Kamera-Mann/Frau erfordern.

Ich mag die Studio-Optik. Wir haben bewusst keine Bühne, Deko oder dergleichen gebaut, sondern einfach auf unsere schönen Studios vertraut. Ich finde, das hat prima geklappt. Große Mikos, schönes Studio – Radio at work. Mir gefällt das.

Philip Banse hält iPhone in die Kamera und erklärt Slide-to-Unlock-Patent.

Die Möglichkeit, Bilder, Webseiten und dergleichen einzublenden, empfinde ich als große Bereicherung. Wir haben das leider zu wenig genutzt, aber wenn wir es gemacht haben, wie bei der letzten Sendung, hatte es einen echten Mehrwert – ohne, dass Hörer ausgeschlossen wurden oder nicht mehr folgen konnten.

Gerade bei der letzten Sendung hat der Chat wichtige Anregungen gebracht, die vor allem die Gäste aufgegriffen haben. Im Chat, bei Google Plus und auf Twitter gab es Anmerkungen und Kritik, auf die man heute einfach nicht mehr verzichten will. Es entsteht eine Kommunikation, die für jedes Medium heute selbstverständlich sein sollte.

Ja, es sind – abgesehen von Einblendungen – nur Talking Heads in einem Radio-Studio zu sehen. Das muss aber erstens nicht so sein, wenn man etwa von Veranstaltungen etc. sendet. Und zweitens: Niemand muss sich das ansehen. Nach wie vor funktionieren die Sendungen als Audio only und sie verlieren auch nicht ihre Radio-Anmutung. Es gibt aber reichlich Menschen, die sich doch lieber oder zusätzlich das Video ansehen: weil sie Gesichter sehen wollen, weil sie Emotionen sehen wollen, weil sie die Einblendungen sehen wollen, weil die Studiotechnik sehen wollen oder weil sie einfach visuelle Menschen sind. Ich gehe davon aus, dass das Live-Video bei vielen im Hintergrund läuft. Hingeschaut wird nur, wenn es wirklich etwas zu sehen gibt. Und allein für diese Möglichkeit lohnt sich der Live-Stream schon.

Denn der technische Aufwand für einen qualitativ hochwertigen, stabilen und optisch ansprechenden Live-Video-Stream ist gering. Drei Kameras, Live-Schnitt, Streaming, Aufzeichnung, Ton – dank neuer Videotechnik (die ich mir zusammengebaut habe und hier sicher auch noch mal detaillierter beschreiben werde) sind die Hardware-Kosten extrem gesunken. Der Aufbau meines Video-Setups dauert eine gemütliche Stunde, ist aber auch in 30 Min. zu machen. Die Kosten des Streamings erreichen pro Sendung selten den dreistelligen Bereich. Natürlich steigen die Kosten mit der Zuschaueranzahl, aber bei Amazon kosten 500 Zuschauer, die eine Stunde zusehen und 800 kBits erhalten 40-50 Euro.

Video unterstützt auch die Vorstellung von “Radio als Plattform”. An einem zentralen Ort wird Inhalt erstellt, der anschließend auf allen verfügbaren Kanälen verbreitet wird: UKW, mp3-Stream, Podcast, Twitter, Facebook, Hangout. Und eine Bewegtbild-Variante hilft bei der Verbreitung des Inhalts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sascha Pallenberg, einen mp3-Stream auf seiner Seite eingebettet hätte. Der Video-Embed auf MobileGeeks.com hat viele Zuschauer gebracht.

Ich hoffe, es wird weitere Gelegenheiten geben, Video-Radio zu machen.

Mich würde interessieren, wie Ihr das seht.

Breitband² – Urheberrecht und Innovation

Am Samstag spreche ich im Breitband² auf Deutschlandradio Kultur eine Stunde über den Zusammenhang von Urheberrecht und Innovation. Gäste sind Jeanette Hofmann, WZB und Institut für Internet und Gesellschaft, sowie Autor Matthias Spielkamp, iRights.info.
Wir werden nicht über Acta, das Leistungsschutzrecht und Netz-Sperren sprechen, sondern der Frage nachgehen, ob und wie das geltende Urheberrecht Innovation behindert. Warum gibt es kein Spotify für Filme? Hätte Google Books in Deutschland entstehen können? Inwiefern wird Open Access durch geltendes Recht ausgebremst? Wie wirkt sich das geltenden Urheberrecht auf kolaborative Arbeiten mit ungezählten Urhebern aus? Wir gehen auch der Frage nach, was Urheberrecht eigentlich bewirken soll und was diskutierte Alternativ-Modelle verbessern würden. Thema ist sicher auch, wie man eigentlich nicht eingetretene Innovation wissenschaftlich misst.

Fragen gern hier in den Kommentaren, an @philipbanse oder während der Sendung per facebook.com/Breitband oder Twitter.

Breitband² – Grundversorgung und Internet

Am Samstag, 9.6.12, habe ich mit Stefan Niggemeier und Volker Grassmuck (WP) im Deutschlandradio/dctp.tv-Talk Breitband² darüber gesprochen, wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Internet-Zeitalter aussehen könnte. Nach der Sendung war ich erst etwas unzufrieden, weil ich das Gefühl hatte, wegen unkoordinierter Fragerei nicht viel weiter gekommen zu sein. Mittlerweile habe ich aber das Gefühl, dass doch etwas herum gekommen ist. Na, schaut selbst.

Links, Infos und weitere Töne gibt es beim Breitband.

Podcast-Feed (mp3) mit den kompletten Breitband-Sendungen.

Auf der Republica 2012

Morgen geht die Republica los und werde da auch ein bisschen was machen.

Session: “Blogger im Gespräch”, 3. Mai, 16.15, Saal 2

Wie im vergangenen Jahr werde ich wieder vier Netzpublizisten in ein Gespräch verwickeln, die im zurückliegenden Jahr etwas Bemerkenswertes gemacht haben. Ich bin froh ein paar echt tolle Gäste zusammen bekommen zu haben:

Frank Westphal feierte 2011 das Comeback von Rivva.de
Debora Weber-Wulff hat mit Hilfe vieler anderer im Rahmen von VroniPlag einige akademische Titel pulverisiert.
Raul Krauthausen hat Wheelmap.org an den Start gebracht und
Matthias Bauer hat O2 auf Trab gebracht mit Wir-sind-Einzelfall.de.

dctp.tv

An den ersten beiden Tagen mache ich für dctp.tv wieder Interviews mit einigen Speakern. Dank meiner neuen Multimedia-Maschine (die ich hier bei Gelegenheit mal ausführlich beschreiben werde) sollten die Videos schnell online sein bei dctp.tv und auf re-publica.de. Ausserdem gibt es in den Playern oben einen Live-Stream (Flash und http) von unserem Set mit allen Interviews und dem ganzen Kram dazwischen.

Deutschlandradio Kultur / Breitband Quadrat

Am Freitag – wahrscheinlich gegen 14 Uhr – zeichnen wir auf der Republica eine Ausgabe Breitband Quadrat auf, die dann am Samstag um 14.05 per UKW raus geht. Auch diese Sendung wird über den obigen Kanal live übertragen.

Ich hoffe, es klappt alles. Wir sitzen wahrscheinlich in der großen Haupthalle. Schaut gern vorbei, wenn Ihr Lust habt.

Breitband Quadrat: Innovationen im Journalismus

Hier das Video von der “Breitband”-Sendung im Deutschlandradio-Kultur vm 31.3.12. Ich habe mich unterhalten mit Wolfgang Blau (Chef von Zeit Online), Ulrike Langer (Vocer.org) und Georg Konjovic (bei Axel Springer zuständig für Paid Content) über die Zukunft des Journalismus und wie er zu bezahlen ist.

Die Sendung wurde als Video live gestreamt von dctp.tv. Warum Video? Es ist mal wieder ein Experiment. Ich will mir das Werkzeug “Live-Video mit mehreren Kameras und kompakter Technik” aneignen, damit ich es einsetzen kann, wen etwas wirklich nach Bild schreit. Manche Leute schauen auch jetzt schon gern beim Radiomachen zu und wer es nicht möchte, muss ja nicht. Es ist eine Option. Radio und Podcast bleiben vom Video ja unberührt. Ausserdem wollen wir im Video bei der nächsten Sendung auch Webseiten einblenden, über die wir reden, vielleicht den Chat, mal sehen. Wenn Ihr noch Ideen und Vorschläge habt, nur her damit.