Im Medienradio MR005 geht es um die Frage, welche Rolle Twitter im medialen News-Kreislauf spielt. Ich glaube, dass Twitter die neuen Agenturen ist. Klingt komisch, meint Folgendes:
Wenn traditionelle Journalisten im Newsroom sitzen und das aktuelle Geschehen verfolgen, sagen sie: “Ich beobachte die Agenturen.” Sie sitzen dann vor einer Anwendung, die ungefähr so aussieht:
Links laufen die Meldungen der abonnierten Nachrichtenagenturen ein, von Reuters bis zum dpa-Landesdienst Sachsen. Rechts erscheint eine ausgewählte Nachricht im Volltext. Der Nachrichtenstrom lässt sich nach Stichwörtern durchsuchen u.ä..
Wenn heute jemand die Iran-Revolte verfolgen will, liest er Twitter – etwa mit einer Anwendung wie dem Seesmic Desktop:
Twitter sieht nicht nur aus wie die Agenturen, es hat auch eine ähnliche Rolle übernommen. Die Nachrichten-Agenturen sind die Hauptschlagader des täglichen News-Kreislaufs. Ein Bericht in der Tagesschau, ein Scoop des Spiegel, ein Interview im Deutschlandfunk – von allem wird eine knackige Kurzfassung geschrieben, um sie an die Agenturen weiter zu reichen, auf dass diese sie in den Nachrichtenstrom einspeisen, natürlich mit Verweis auf das Original. Nur so ist dem SZ-Artikel, DLF-Interview oder Frontal21-Beitrag maximale Aufmerksamkeit sicher. Denn welcher Redakteur liest, schaut und hört schon alle Medien? Aber alle lesen die Agenturen. Twitter funktioniert genauso: Egal ob Blogeintrag, Youtube-Filmchen oder Online-Artikel – alles wird knackig zusammengefasst reingeworfen in den Strom der Tweets, auf dass es möglichst oft retweetet werde, um maximale Aufmerksamkeit erlangen. Deswegen ist Twitter die neuen Agenturen.